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Alexander Grothendieck auf einem Archivbild aus den 1960er-Jahren.

Foto: AP Photo/IHES

Wien - Er war fraglos einer der größten Mathematiker des 20. Jahrhunderts. Und wie nicht wenige Koryphäen seines Fachs hatte der 1928 in Berlin geborene Alexandre/Alexander Grothendieck auch eine eher exzentrische Persönlichkeit, die vermutlich auch seiner dramatischen Familiengeschichte geschuldet war. Die nach Frankreich emigrierte Familie wurde 1940 von der Vichy-Regierung in einem Konzentrationslager interniert, Grothendiecks leiblicher Vater war eines der ersten NS-Opfer, die im KZ Auschwitz ermordet wurden.

1942 entkam Alexander Grothendieck dem französischen Lager und fand im protestantischen Dorf Le Chambon-sur-Lignon Zuflucht, wohin sich während der deutschen Besatzung Frankreichs einige Juden flüchten konnten. Nach der Befreiung durch die Alliierten studierte Grothendieck Mathematik im südfranzösischen Montpellier. Danach wurde er Professor am Institut des Hautes Etudes Scientifiques in Bures-sur-Yvette südwestlich von Paris, wo er zum Begründer einer eigenen Schule der algebraischen Geometrie avancierte.

Für seine Leistungen erhielt er 1966 die Fields-Medaille, die höchste Auszeichnung in der Mathematik. Doch das war auch der Anfang vom Ende seiner Karriere als einer der größten Mathematiker des 20. Jahrhunderts: Beeinflusst durch den Pariser Mai 1968 zog er sich bald nach 1970 weitgehend von seiner zentralen Position im mathematischen Leben von Paris zurück. Es wurde ihm wichtiger, etwa den Mathematikern Nordvietnams durch persönlichen Einsatz zu helfen. 1991 verschwand er dann völlig aus der Öffentlichkeit und lebte wie ein Eremit in dem 200-Einwohner-Dorf Lasserre in den Pyrenäen.

Grothendiecks mathematische Veröffentlichungen umfassen die Gebiete der Topologie, der algebraischen Geometrie und der Funktionalanalysis, die zum Gutteil auch auf der Seite "Grothendieck Circle" veröffentlicht und kommentiert sind. Zu seinen späteren Arbeiten gehören Thesenpapiere und Meditationsschriften aus den Bereichen der Ökologie, Philosophie, Religion und vor allem der Esoterik. Anfang 2010 erklärte Grothendieck in einem Brief, er wünsche, dass jene Schriften, deren Veröffentlichung er nicht zugestimmt hat, nicht mehr publiziert würden. "Grothendieck Circle" kam diesem Wunsch nach und entfernte alle beanstandeten Schriften.

Sein letzter Aufenthaltsort in den Pyrenäen war nur wenigen Freunden bekannt. Frankreichs Staatschef Francois Hollande würdigte heute "einen unserer größten Mathematiker". Grothendieck sei zudem "eine in ihrer Lebensphilosophie außergewöhnliche Persönlichkeit" gewesen. (red, derStandard.at, 14. 11. 2015)