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Die Kampagne "Lohnsteuer runter!" unterschrieben 882.184 Personen.

Foto: apa/techt

Wien - Direkt unter den Augen von Maria Theresia bauen Gewerkschafter und Arbeiterkämmerer am Dienstag im Kanzleramt zehn Türme aus Kartons auf. "Lohnsteuer runter!" prangt auf jeder Schachtel. In den Behältern: 882.184 Unterschriften aus dem Wahlvolk für eine rasche Entlastung, wie ÖGB und AK sie seit dem Sommer mit ihrer Kampagne von der Regierung einfordern. Kaum haben sich hinter dem papierenen Bauwerk der Gewerkschaftsboss und der Arbeiterkammerchef postiert, öffnet sich die Tür zum Ecksalon, wo die Koalitionsspitzen ihre wöchentliche Regierungssitzung abhalten.

Abgrenzen statt verpartnern

Für das Spektakel gehen Dutzende Kameraleute in Stellung. Der schwarze Finanzminister, erst seit September im Amt, will sich ganz sozialpartnerschaftlich gleich neben Erich Foglar und Rudolf Kaske platzieren, also hinter ihrer mahnenden Turmlandschaft. Doch das weiß der Vizekanzler und ÖVP-Chef gerade noch zu verhindern, ehe die ersten hochoffiziösen Fotos von der Aktion geschossen werden. "Komm' lieber da 'rüber!", ruft Mitterlehner seinem Parteifreund zu. Heißt: Hans Jörg Schelling muss neben Mitterlehner und Kanzler Werner Faymann (SPÖ) vor das Kartongebirge, um die Botschaft der beiden hohen Arbeitnehmervertreter zu vernehmen. Abgrenzung nennt man das.

"Die Steuerreform hat oberste Priorität!", erklärt Foglar dann den drei Herren, von denen zumindest einer, immerhin der Kanzler, ohnehin das Entlastungsmodell von ÖGB und AK vertritt. In erster Linie gehe es um die Arbeitnehmer, setzt Kaske nach, auch wenn andere Gruppen über die hohe Belastung stöhnen - und meint damit wohl das Ansinnen von Schelling, dass von seinem anvisierten Entlastungsvolumen von fünf Milliarden 1,5 der Wirtschaft und den Familien zugutekommen sollen.

Nach diesem Auftritt wird auf allen Seiten gedankt, für die Zeit, für den Empfang sowie für die Initiative, für die Vorschläge.

Doch der Aktionismus vor den anstehenden Personalvertretungswahlen kann kaum darüber hinwegtäuschen, wie breit der Weg noch bis zu einer koalitionären Einigung ist. Denn zuvor haben Faymann und Mitterlehner rund um den Ministerrat erneut ihre Auffassungsunterschiede betont. Faymann will, dass die Länder durch Effizienzsteigerungen eine Milliarde zur Steuerreform beisteuern - über den Finanzausgleich und durch Kürzungen im Förderwesen. "Da ist Solidarität gefragt", so der Kanzler.

Anzweifeln statt zustimmen

Mitterlehner dagegen will sich "nicht apodiktisch" auf eine Milliarde festlegen. Angezweifelt wird von ihm nun auch die von der SPÖ errechnete Selbstfinanzierung der Steuerreform, eine Milliarde soll aus ihrer Sicht durch Kaufkraftsteigerung erzielt werden. Seine Experten hätten ihm anderes gesagt, versichert Mitterlehner.

Immerhin hat die Regierung am Dienstag die Verlängerung des Finanzausgleichs bis 2016 beschlossen und damit die geltende Vereinbarung um zwei Jahre verlängert. Über die neue Finanzvereinbarung wird ab März verhandelt. Dazu erklärte Schelling, dass die Länder an den Kosten der Steuersenkung des Bundes ohnehin beteiligt sind - allein schon deshalb, weil Länder und Gemeinden ein Drittel der Bundessteuern bekommen und bei einer Steuersenkung weniger erhalten. Das sei aber keine Forderung, sondern ein Automatismus, stellte er klar. Trotzdem klang es nach Abgrenzung. (Nina Weißensteiner, DER STANDARD, 19.11.2014)