Maria Niedertscheider betreibt an der Uni Klagenfurt Landnutzungsforschung.


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In der Schule lernen wir, dass Pflanzen durch Fotosynthese Biomasse erzeugen und diese Netto-Primär-Produktion (NPP) die Basis des Lebens auf Erden ist: als Nahrung, Baumaterial, Lebensraum, Brennstoff, Kleidung und so fort. Maria Niedertscheider verfolgt, wie viel Biomasse der Mensch sich aneignet und wie viel im Umkehrschluss für alle anderen Lebewesen bleibt.

Kürzlich hat die Nachwuchsforscherin vom Institut für Soziale Ökologie der Uni Klagenfurt ihre Forschungsarbeit im Fachblatt Global Environmental Change publiziert. Gemeinsam mit ihrem Betreuer Karl Heinz Erb sowie Tobias Kümmerle und Daniel Müller vom Institut für Geografie der Humboldt-Uni Berlin hat sie den Einfluss politischer Umwälzungen auf die Landnutzung in Deutschland analysiert.

Das überraschende Ergebnis: Zwei Weltkriege und die abrupte Aufspaltung in völlig konträre Systeme in West und Ost - Planwirtschaft vs. Kapitalismus - spiegelten sich kaum in den Trends der entnommenen Biomasse. Die massive Intensivierung im Zuge der "Grünen Revolution" nach dem Zweiten Weltkrieg überlagerte die sozioökonomischen Bedingungen komplett.

Aktuell arbeitet die 29-jährige Osttirolerin an einer globalen Studie über die Landnutzungsintensivierung. Landwirtschaft erzeugt ja nicht nur Produkte, sie verschlingt auch gewaltige Mengen an Ressourcen wie Wasser, Land, Energie oder Kunstdünger: "Mich interessiert, in welchen Weltregionen die Intensivierung schon sehr 'teuer' kam und wo es noch Potenziale für einen alternativen Weg gibt", erklärt die Ökologin. HANPP (Human Appropriation of Net Primary Production), eine Maßzahl für menschliche Dominanz über terrestrische Ökosysteme, misst neben der Ernte auch indirekte Verluste von Biomasseflüssen. Nicht selten ersetzt eine landwirtschaftliche Fläche ja ein Ökosystem, das weitaus produktiver war.

Maria Niedertscheider arbeitet für den Blick in die Geschichte viel mit "echten" Daten aus statistischen Jahrbüchern. Daran reizt sie die detektivische Spürarbeit und die "Einfachheit" im Vergleich zu komplexen Modellierungen der Zukunft sowie die Frage: Wie und wo finden sich Daten, zu welchem Gesamtbild lassen sie sich zusammenführen und was sagen sie über die Welt vor mehr als 100 Jahren? Aus der Vergangenheit zu lernen wäre ihr Plädoyer, denn die historische Landnutzungsforschung zeigt, "dass Veränderungen oft unvorhersehbar und schnell auftreten".

Im Ökologiestudium an der Uni Wien suchte und fand die Naturbegeisterte ihr Thema: "Man kann kaum 'Expertin für alles' werden. Ich hatte Spaß daran, die Biosphäre zu erfassen, von der Zelle bis zum Klimakreislauf. Die Spezialisierung auf Landnutzung kam erst nach und nach." Am Institut für Soziale Ökologie der Uni Klagenfurt ist HANPP schon lang verankert, gewinnt aber inzwischen auch in EU-Forschungsprogrammen an Bedeutung. Eine Zukunft in der Wissenschaft fände Maria Niedertscheider attraktiv, "da sie vor Monotonie und Langeweile schützt". Auf den Geschmack kam sie mit ihrer Diplomarbeit und einem Forschungsaufenthalt in Südafrika. Sie ist sich jedoch dessen bewusst, dass eine Forscherinnenkarriere mit großen Unsicherheiten verbunden ist. (Astrid Kuffner, DER STANDARD, 19.11.2014)