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Guy Verhofstadt: EU muss Abstand zu USA verringern.

Foto: Reuters//Francois Lenoir

Noch vor Weihnachten wird die neue EU-Kommission unter Präsident Jean-Claude Juncker eines der Herzstücke ihres politischen Programms für die kommenden drei Jahre präsentieren - ein großes und EU-weites Investitionsprogramm vor allem in Infrastrukturen und den Servicesektor. Rund 300 Milliarden Euro insgesamt soll es umfassen, hundert jedes Jahr. Da die Finanzierung über nicht genützte Ressourcen sowie zusätzlich mobilisierte Kredite der Europäischen Investitionsbank (EIB) erfolgen soll, wären auch die Reform- und Budgetsanierungsanstrengungen der Mitgliedstaaten davon nicht negativ berührt.

Der Chef der liberalen Fraktion (Alde) im Europäischen Parlament, Guy Verhofstadt, preschte nun am Dienstag vor, indem er die bisher bekannten Elemente des Kommissionsplans mit zusätzlichen Reformanstrengungen und Steueranreizen seitens der Mitgliedsländer zu einer "Europäischen Investitions- und Wachstumsinitiative" anreicherte. Das Ergebnis: Die EU könnte damit - ähnlich wie die USA 2009 - die Investitionen noch steigern. 700 Milliarden Euro ließen sich bei Investoren für einen Europäischen Investitionsfonds (EUIF) auftreiben. Nur etwa ein Viertel müsste von der EIB und den EU-Staat mit Garantien (nicht durch Kapital) abgesichert werden. 560 Milliarden Euro kämen vom Privatsektor, vorzugsweise für Projekte in den Bereichen Digitales, Transport, Energie und Dienstleistungen.

Investitionen steigen

Laut Verhofstadt seien die Investitionen in den USA seit dem großen Einbruch in der Finanzkrise 2008 bis 2013 saldiert um 5,9 Prozent gewachsen. In der Union lagen sie Ende 2013 noch immer 14 Prozent unter dem Niveau von 2008. Die USA erwarten im kommenden Jahr mehr als drei Prozent Wachstum, die EU ein Prozent.

Es müsse also viel mehr geschehen, als nur eine bescheidene Mittelumschichtung, sagte Verhofstadt, der von Juncker ein noch ambitionierteres Vorgehen erwartet als angekündigt. Das Investpaket und die Notwendigkeit, Beschäftigung zu schaffen, wird Hauptthema der Staats- und Regierungschefs beim EU-Gipfel im Dezember. Um die Staaten zum Mitmachen zu bewegen, schlägt der Liberalenchef vor, neben die erste Säule der Mittelaufbringung zwei weitere Träger einzubauen.

Zum einen sollten die EU-Staaten 2015 ein Stimulierungsprogramm speziell für Klein- und Mittelbetriebe fahren. 200 Milliarden Euro könnte das Volumen betragen, von der EIB abgewickelt. In den Genuss der Gelder kämen die Staaten aber nur, wenn sie sich zur Fortsetzung von strukturellen Reformen verpflichten und den KMUs Steueranreize gewähren.

Reform und Binnenmarkt

Die dritte Säule dieses Investmentprogramms, das am Eurostabilitätspakt, am finanzpolitischen Kurs der Staaten nicht rühre, sei das Vorantreiben der Reformen und des Binnenmarktes. Da seien noch große Wachstumspotenziale zu holen. Sollte die Juncker-Kommission eine intelligente Kombination all dieser Investitionstreiber vorschlagen, werde sie die volle Unterstützung der Liberalen bekommen, sagte Verhofstadt. (Thomas Mayer aus Brüssel, DER STANDARD, 19.11.2014)