Frage: Warum war Österreich, was die Methoden der Fortpflanzungsmedizin betrifft, sehr restriktiv?

Antwort: Das geltende Fortpflanzungsmedizingesetz stammt aus 1992 und wurde jüngeren medizinischen und gesellschaftlichen Entwicklungen nie wirklich angepasst.

Frage: Warum war eine Anpassung nicht möglich?

Antwort: Weil SPÖ und ÖVP sehr konträre Ansichten haben. Während die SPÖ im Wahlkampf eine weit gehende Liberalisierung forderte, hat die ÖVP mit diesen Maßnahmen Probleme. Argumente, etwa Eingriff in menschliches Leben, Schutz der Familie. Das führte zum Stillstand.


Frage:
Was waren die Hauptstreitpunkte?

Antwort: Samenspende für lesbische bzw. alleinstehende Frauen, Eizellspende, In-vitro-Fertilisation bei Samenspende Dritter, Präimplantationsdiagnostik (genetische Untersuchung nach Verschmelzung von Ei- und Samenzelle bei IVF), etwa um Krankheiten vorhersagen zu können.


Frage:
Was führte zum aktuellen Gesetzesvorschlag?

Antwort: Die Initiative eines lesbischen Paares, das 2012 die Erlaubnis für eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung gerichtlich erwirken wollte. Das Verfahren landete beim Obersten Gerichtshof (OGH), ging zum Verfassungsgerichtshof (VfGH), der nach einigem Hin und Her am 10. Dezember 2013 in einer Entscheidung wichtige Teile des Fortpflanzungsmedizingesetzes als verfassungswidrig aufhob, und zwar mit Wirkung vom 31. Dezember 2014.


Frage:
Wie kamen die Parteien zu Kompromissen?

Antwort: Würde kein neues Gesetz entstehen, wären die bislang in Österreich zulässigen Spielarten der Fortpflanzungsmedizin nicht nur dann erlaubt, wenn Paare auf natürlichem Weg keine Kinder bekommen, jedes Paar könnte IVF in Anspruch nehmen. Um diese Liberalisierung zu verhindern, musste die ÖVP Kompromisse eingehen.


Frage
: Warum gab es keine breite öffentliche Diskussion?

Antwort: Die ÖVP hatte lange Schwierigkeiten, einen Standpunkt zu formulieren. Die Novellierung wurde, um eine breite Diskussion zu vermeiden oder sie zu gefährden, hinter verschlossenen Türen formuliert und am 13. November präsentiert.

Frage: Wie profitieren heterosexuelle Paare?

Antwort: Paare, die nicht auf natürlichem Wege schwanger werden, dürfen sich weitgreifender als bisher den Mitteln der Fortpflanzungsmedizin bedienen. Bisher unmöglich war die Eizellspende. Sie kann von Frauen bis zum 45. Lebensjahr empfangen werden, Spenderinnen dürfen nicht älter als 30 Jahre sein. Auch Partnerschaften, in denen sich der Mann als unfruchtbar herausstellte und die deshalb auf eine Samenspende von Dritten angewiesen waren, mussten zur künstlichen Befruchtung in eine Klinik ins Ausland. Außerdem können bei künstlicher Befruchtung (IVF) durch die Präimplantationsdiagnostik (PID) etwaige erblich bedingte Risiken festgestellt werden.

Frage: Wie profitieren lesbische Paare?

Antwort: Lesbische Paare müssen zur Befruchtung nicht mehr ins Ausland, sondern können sowohl eine Insemination (Einspülen des Samens) als auch eine IVF mit Spendersamen in Österreich durchführen lassen. Eine gegenseitige Eizellspende zwischen lesbischen Partnerinnen, die gegenseitig ihre Kinder austragen, so wie etwa in Australien möglich, ist nicht erlaubt. Die Eizellempfängerin muss unfruchtbar sein.

Frage: Wie profitieren Menschen mit erblichen Risiken?

Antwort: Durch die Möglichkeiten der PID können mögliche schwere Erbkrankheiten unmittelbar nach der Befruchtung im Labor erkannt werden und nur genetisch "gesunde" Embryonen eingesetzt werden. Welche genetisch vererbten Krankheiten auf diesem Wege vermeidbar sind, soll von einer Kommission festgelegt werden. "Die größte Errungenschaft im neuen Gesetz ist, dass wir im Rahmen der Blastozystenbiopsie auch die genetischen Informationen vom Mann untersuchen können, um Krankheiten zu vermeiden", sagt Wilfried Feichtinger, Leiter des Wunschbabyzentrums in Wien, der hofft, dass dadurch vererbte Krankheiten (etwa auch genetisch determinierte Arten von Brust- oder Dickdarmkrebs) reduziert werden können. In Israel, einem der liberalsten Länder in der Fortpflanzungsmedizin, wird auf diese Weise das genetisch bedingte Familiäre Mittelmeerfieber (FMF) bekämpft.

Frage: Wie profitieren Frauen nach häufigen Fehlgeburten?

Antwort: Frauen, die drei Fehlgeburten hatten, können das Risiko durch die Möglichkeiten der PID reduzieren, in dem entsprechende Prädispositionen erkannt werden und nur überlebensfähige Embryonen eingesetzt werden.

Frage: Wer sind die Verlierer der Reform?

Antwort: Alleinstehende Frauen, die sich ihren Kinderwunsch durch eine anonyme Samenspende erfüllen wollen. Durch das Verbot der Leihmutterschaft haben auch homosexuelle Männer keine Chancen auf Kinder.

Frage: Was ist noch verboten?

Antwort: Leihmutterschaft und das Nutzen von Fortpflanzungsmedizin ohne medizinische Gründe. Die Embryonenspende: das Einsetzen befruchteter Eizellen bzw. Embryonen in eine andere Frau.

Frage: Wird es das Einfrieren von Eizellen geben?

Antwort: Nein, nur mit medizinische Notwendigkeit, etwa eine Eizellentnahme vor einer Krebsbehandlung. "Bedauerlich für die Autonomie der Frau", findet Heinz Strohmer vom Kinderwunschzentrum, der weiß, dass sich der Kinderwunsch bei Frauen immer später manifestiert. Die Gesetze sollten diese demografischen Entwicklungen berücksichtigen.


Frage:
Was bleibt schwammig?

Antwort: "Dass eine Eizellspende möglich ist, klingt großartig und würde Patientinnen wirklich helfen, allein, wie sollen Frauen, die meist zwischen 38 und 42, sind zu einer Eizelle kommen, wenn die Vermittlung bzw. ein entgeltliches Rechtsgeschäft verboten sind?", fragt Fortpflanzungsmediziner Heinz Strohmer vom Kinderwunschzentrum Wien und kritisiert, dass eine medizinisch wesentlich aufwändigere Nierenspende als heroischer Akt gälte, eine Eizellspende indes nicht. Das sich der Gesetzgeber in diesem Punkt noch bewegt, hält die Zivilrechtlerin Christiane Wendehorst, Mitglied der Bioethikkommission, jedoch für unwahrscheinlich. "In der Frage der Vermittlung von Samen und Eizellen zu einer praktikablen Lösung zu gelangen, lässt sich nicht in zwei Wochen lösen", sagt sie. Fazit: Die Eizellspende wird möglich, kann aber mangels Rahmenbedingung nur eingeschränkt stattfinden.


Frage:
Welche Änderungen im Gesetzesentwurf sind zu erwarten?

Antwort: "Die Altersgrenzen bei der Eizellspende sowohl bei Empfängerin als auch Spenderin könnten noch adaptiert werden", vermutet Wendehorst, um innerfamiliäre Eizellspenden zu erleichtern. "45 Jahre ist willkürlich, das durchschnittlich Alter für die Menopause ist 50 Jahre", sagt auch Strohmer.


Frage:
Welche große Angst haben Skeptiker?

Antwort: Geschäftemacherei, Stichwort Designerbabys, die Menschen zu einer Art Ware machen. Und: die Ausbeutung von Frauen durch Leihmutterschaft.

Frage: Welche Schritte liegen noch vor der Gesetzwerdung?

Antwort: Am 1. Dezember endet die Begutachtungsfrist. Am 17. Dezember werden etwaige Änderungen im Gesundheitsausschuss verhandelt, um dann noch vor Ende des Jahres beschlossen zu werden. (Karin Pollack, DER STANDARD, 19.11.2014)