Julien Blanc, selbsternannter Pick-up-Artist.

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Julien Blanc ist ein vielbeschäftigter Mann, der gerade große Beachtung erfährt. Momentan reist er um die ganze Welt und versucht in allen möglichen Ländern Seminare darüber abzuhalten, wie Männer das bekommen können, was man in Blancs Szene als "Game" bezeichnet. Allerdings wird das mit den Reisen gerade immer schwieriger. In Australien haben sie ihm, nachdem sich Menschen in einer Petition dafür ausgesprochen hatten, das Visum entzogen und des Landes verwiesen. In Japan, Südkorea und Brasilien wollen sie Blanc nicht hineinlassen. In Großbritannien und Deutschland sind ähnliche Bemühungen im Gange. Auf Twitter macht man unter dem Hashtag #takedownjulienblanc global gegen ihn mobil. Und warum? Julien Blanc ist ein selbsternannter Pick-up-Artist (PUA) und damit Teil einer ausgesprochen heterogenen Gemeinschaft, deren gemeinsames Ziel es ist, mehr Erfolg bei Frauen zu haben, indem sie bestimmte manipulative Verführungstricks optimieren.

Übergriffigkeit als Geschäftsmodell

Da gibt es diejenigen, die diese Gemeinschaft als "Selbsthilfegruppe verunsicherter Männer" in Anspruch nehmen, weil sie sich von der zunehmenden Emanzipation der Frauen bedroht fühlen und keine Vorstellung davon haben, wie sie mit dem anderen Geschlecht in Kontakt treten sollen. Dann gibt es diejenigen, die zwar bei Frauen Erfolg haben, aber der Meinung sind, sie hätten das Recht, jeden Aspekt einer Beziehung zu Frauen zu kontrollieren und diese wenn möglich auf das Sexuelle zu reduzieren. Solche Männer empfinden es als Krankheit (Oneitis), sich emotional fest an eine Frau zu binden, und versuchen sich davon zu befreien, indem sie der FTOW-(Fuck Ten Other Women-)Regel folgen – bloß nicht abhängig machen. Sie reden gern von Männerrechten, versuchen Frauen zu manipulieren und verweisen, wenn darauf angesprochen, darauf, dass Frauen ja auch "Flirtstrategien" anwenden würden, um sich selbst Vorteile gegenüber den Männern zu verschaffen.

Und dann gibt es Julien Blanc und seinesgleichen. Misogyne Sexisten, die davon schwafeln, wie Frauen "geführt" und "angepackt" werden sollten, damit sie einem Mann sexuell zu Willen sind. Als Gründer der Firma Real Social Dynamics hat Blanc Übergriffigkeit, Manipulation und sexualisierte Gewalt zum Geschäftsmodell erhoben und verhökert auf Vorträgen und Bootcamps sein "Wissen" über die Verführung von Frauen. Ziel dieser Verführung ist immer sexueller Kontakt mit der betreffenden Frau. Wie kriege ich sie dazu, Sex mit mir zu haben? Was muss ich sagen, wie muss ich mich verhalten, damit eine Frau möglichst rasch mit mir ins Bett steigt, obwohl sie das eigentlich nicht vorhatte?

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PUAs nutzen den Umstand, dass die Gesellschaften, in denen sie Frauen ansprechen, heterosexuelle Beziehungen auf ein dümmliches Jäger-Beute-Schema reduzieren. Alle Beteiligten wissen also, was von ihnen erwartet wird, damit sie als "echte" Frauen und Männer gelten können – das erleichtert das Game. In ihren Kursen vermitteln PUA-Trainer, dass Frauen von der Gruppe isoliert werden müssten, damit man sie anschließend in aller Ruhe in ihrem sozialen Status herabsetzen und sich so lange widersprüchlich-mysteriös geben kann, bis die Frau glaubt, ihren sozialen Status nur durch Sex mit dem PUA wiederherstellen zu können. Es geht um Macht. Es geht um Erniedrigung. Es geht um richtig eklige Typen.

Obwohl PUAs bei jeder sich bietenden Gelegenheit gerne betonen, dass man sie falsch einschätzen würde, weil es den meisten von ihnen doch nur darum ginge, als perfekter Gentleman Erfolg bei Frauen zu haben, ist das ganze System von Grund auf frauen- und damit menschenverachtend. Denn für PUAs sind Sexualkontakte eine Ressource wie Nahrung oder Trinkwasser, über die unglücklicherweise nur Frauen verfügen. Nach Überzeugung dieser Männer enthalten Frauen ihnen willentlich und in böser Absicht die Ressource Sexualkontakte vor, obwohl sie ihnen zusteht. Und um sich den Zugang zu dieser Ressource zu sichern, finden sie es legitim, Frauen zu erniedrigen.

Julien Blanc ist nicht die letzte Eskalationsstufe

Das ist der Grund, warum sich überall auf der Welt Menschen dagegen engagieren, dass Blanc ihr Land nutzt, um mit der Verbreitung solcher Methoden auch noch Geld zu verdienen. Man mag das übertrieben finden und fragen, inwieweit Petitionen, die Einreiseverbote/Ausweisungen fordern, das Recht auf freie Meinungsäußerung in Abrede stellen und der Zensur Vorschub leisten.

Das Problem ist jedoch folgendes: Julien Blanc markiert nicht die letzte Eskalationsstufe innerhalb des PUA-Systems. Diese letzte Stufe beschrieb die Webseite puahate.com, bevor sie vom Netz genommen wurde. Auf der Plattform tauschten sich Männer aus, die Leuten wie Julien Blanc Geld dafür gegeben hatten, sie in ihrer "Kunst" auszubilden, ohne anschließend damit Erfolg zu haben. Die Männer dort fühlten sich von den PUAs verraten und in ihren Bedürfnissen kapitalisiert und ausgenutzt. Was das für Bedürfnisse waren, wurde sehr deutlich gemacht.

"Eigentlich will ich nur an den Punkt kommen, wo ich eine Frau knallen kann, wann ich will, sprich: fünfmal die Woche." Dass ihr Fehler darin bestehen könnte, Frauen in ihrer Menschenwürde zu missachten und ihnen die Selbstbestimmung abzusprechen, ist ihnen nicht aufgefallen.

Eitelkeit und Egomanie

Auch nicht Elliot Rodger, der einer der Nutzer auf puahate.com war. Am 23. Mai tötete Rodger sechs Menschen und verletzte 13 weitere, bevor er sich selbst erschoss. Er tat es, weil er Männer hasste, die Erfolg bei Frauen hatten, und weil er Frauen noch mehr hasste: "Ihr Mädchen habt mich meine gesamte Jugend hindurch nach Sex, Freude und Vergnügen hungern lassen. Ihr habt mir acht Jahre meines Lebens genommen."

Julien Blanc ("Pack ihren Kopf und drück ihn dir zwischen die Beine") ist nicht Elliot Rodger. Aber er und viele andere PUAs bedienen sich aus demselben Trog an frauenverachtendem Schwachsinn, verletzter Eitelkeit und Egomanie wie Rodger, bevor er tat, wozu ihm auch die Zurückweisungen von sämtlichen Frauen dieses Planeten nicht das Recht gegeben hätten. (Nils Pickert, dieStandard.at, 20.11.2014)