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Dilma Rousseff hat wenig politischen Spielraum.

Foto: Reuters/Macelino

Unmittelbar nach der knapp gewonnenen Wahl seiner Nachfolgerin überraschte der immer noch populäre Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva mit einer Ansage: Er wolle sich nun verstärkt in die Tagespolitik einmischen. Einen Vorgeschmack darauf gab es bereits im Wahlkampf, in dem er unermüdlich Amtsinhaberin Dilma Rousseff unterstützte. Doch mit seiner Ankündigung weckt Lula auch Hoffnungen auf einen Kurswechsel: Denn Brasiliens Wirtschaft beunruhigt mit immer wieder neuen Negativschlagzeilen, und Rousseff wird mit ihrer chaotischen Interventionspolitik für den Schlingerkurs verantwortlich gemacht.

Die Brasilianische Zentralbank senkte vor kurzem erneut ihre Wachstumsprognose, dagegen ist die Inflation so hoch wie schon lange nicht mehr. Am beunruhigendsten aber ist die geringe Investitionsbereitschaft. Für Ökonom André Nassif von der Wirtschaftsuniversität Getúlio Vargas in Rio de Janeiro ist sie zu gering, "vor allem im Vergleich mit Indien und China, wo zwischen 35 und 40 Prozent des BIP in Investitionen fließen." Brasilien liegt bei 18.

Ein Grund dafür ist der Pessimismus der einheimischen Investoren. Das Verhältnis zwischen Unternehmern und der Präsidentin gilt als stark angespannt. Die von dem Ex-Gewerkschafter Lula da Silva mühsam aufgebaute stabile Basis der brasilianischen Wirtschaft ist aus dem Gleichgewicht geraten. "Rousseff muss schnelle Entscheidungen treffen, um ein positives Signal an die Wirtschaft zu senden", betont Eduardo Sampaio, Präsident von FTI Consult Brazil.

Nationale Unternehmen ächzen vor allem unter der hohen Steuerlast und der teuren Landeswährung Real. "Eine im Land gefertigte Maschine kostet 37 Prozent mehr als eine aus den USA oder Deutschland eingeführte", rechnet Carlos Pastoriza, Chef des brasilianischen Maschinenbauverbandes, vor. "Wo bleibt da unsere Wettbewerbsfähigkeit?"

Kaum Spielraum

Unklar ist, wie Rousseff das Ruder herumreißen will. Von Parteifreunden wird sie gedrängt, Lula da Silva stärker einzubinden. Mehrere seiner Personalratschläge hatte sie nicht befolgt und damit Schiffbruch erlitten. Gleichzeitig ist Rousseff bestrebt, aus seinem Windschatten herauszutreten. Ihre Spielräume in der zweiten Amtszeit sind eng: Im Kongress muss sie Mehrheiten stets neu aushandeln.

Beobachter gehen davon aus, dass Lula da Silva sein Engagement wohl überlegt hat und bereits seine Kandidatur für 2018 vorbereitet, auch wenn er selbst dies bestreitet. "Meine einzige Erwartung ist, dass ich in vier Jahren noch am Leben bin", antwortet der 69-Jährige gewöhnlich auf solche Fragen. 2012 hatte er eine Krebserkrankung überstanden. (Susann Kreutzmann aus São Paulo, DER STANDARD, 20.11.2014)