Die Beobachtungen und Vergleiche mit älteren Daten legen nahe, dass SDSS1133 (blauer Punkt) ein aus der Zwerggalaxie Markarian 177 (helles Objekt in der Bildmitte) fortgeschleudertes Schwarzes Loch sein könnte.

Foto: Sloan Digital Sky Survey

Zürich - Astronomen haben in einem benachbarten Galaxienhaufen ein Objekt entdeckt, das sie stutzig macht - und eine Möglichkeit eröffnet, die von Albert Einstein vorausgesagten Gravitationswellen experimentell nachzuweisen. Jüngste Beobachtungen haben die Natur des Objektes noch nicht eindeutig erfassen können: Es könnte sich um ein supermassives Schwarzes Loch handeln, das aus einer Galaxie katapultiert wurde, oder einen riesigen Stern, der gleichsam im Zeitlupentempo explodiert.

Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie steht und fällt mit der Existenz von sogenannten Gravitationswellen. Bisher ist es noch nicht gelungen, diese Wellen direkt nachzuweisen. Möglicherweise sind die verfügbaren Instrumente noch nicht präzise genug, um die von den Gravitationswellen bewirkten minimalen Stauchungen und Streckungen des Raums zu messen. Vermutlich werden auch zukünftige nur ausgesprochen heftige Wellen feststellen können. Nur Ereignisse von galaktischen Dimensionen unter Beteiligung wirklich großer Massen können derartige Gravitationswellen hervorrufen - etwa wenn zwei supermassive Schwarze Löcher in der kosmischen Nachbarschaft miteinander kollidieren.

Einsame Schwarzes Löcher

Wenn solche Schwarzen Löcher unterschiedliche Massen haben oder sich in unterschiedlichen Geschwindigkeiten drehen, breiten sich die Gravitationswellen asymmetrisch aus. Das fusionierte Schwarze Loch erfährt dabei einen Rückstoß in die Gegenrichtung. In manchen Fällen ist er so stark, dass das Schwarze Loch für immer aus der Galaxie geschleudert wird und einsam zwischen den Sterneninseln treibt.

Astronomen suchten in der Vergangenheit nach solchen wegkatapultierten Schwarzen Löchern, fanden jedoch keine. Das nun von einem internationalen Team in 90 Millionen Lichtjahren Entfernung ausgemachte Objekt mit der Bezeichnung SDSS1133 erweist sich als in einigen Punkten guter Kandidat. Vor allem ungewöhnliche Schwankungen in der Leuchtkraft und spektralanalytische Untersuchungen bekräftigten die Wissenschafter in der Annahme, dass SDSS113 ein Schwarzes Loch ist, das zu einem früheren Zeitpunkt zu einer nahen Zwerggalaxie gehörte.

Die Messdaten würden aber auch zu einem noch exotischeren Objekt passen: Möglicherweise zählt SDSS1133 zu einer neuen Art lange andauernder Supernovae gigantischer Sterne. Ähnliche sich verändernde Sterne wurden bereits beobachtet: Eta Carinae, einer der massereichsten Sterne unserer eigenen Galaxie, war 1843 während einer kurzen Zeit der zweithellste Stern am Nachthimmel. Wären solche Ausbrüche auch bei SDSS1133 die Erklärung, dann würde es sich dabei um die längsten kontinuierlichen Eruptionen handeln, die je vor einer Supernova beobachtet worden sind.

Des Rätsels Lösung ist nahe

Die Wissenschafter werden nächstes Jahr die Gelegenheit erhalten, das Rätsel zu lösen. Schwarze Löcher und Supernovae emittieren beide ultraviolettes Licht, jedoch von unterschiedlicher Wellenlänge. Um das Spektrum sehr präzise messen zu können, wurde den Wissenschaftern für Oktober 2015 Beobachtungszeit mit dem Hubble-Weltraumteleskop zugesichert.

Sollte es sich herausstellen, dass das Objekt tatsächlich ein wegkatapultiertes Schwarzes Loch ist, dann würde dies die Chance, dereinst Gravitationswellen nachweisen zu können, deutlich erhöhen. Bei SDSS1133 selbst kommen die Forscher zwar 10 Millionen Jahre zu spät. Aber allein die Tatsache, dass es überhaupt existiert erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass bald weitere solcher Rückstoßereignisse aufträten, glauben die Forscher. (red, derStandard.at, 22.11.2014)