In Österreich kann man derzeit erst mit 17 Jahren eine Ausbildung zum Pflegehelfer beginnen. Ein Pilotprojekt in Vorarlberg bietet eine Pflegelehre an.

Foto: aqua mühle frastanz

In Österreich kann man derzeit erst mit 17 Jahren eine Ausbildung zum Pflegehelfer beginnen. Lehrberuf gibt es keinen. Der Sozialdienstleister aqua mühle in Vorarlberg versucht seit 2011, diese Ausbildungslücke mit einem Pilotprojekt zu schließen und fordert die Schaffung einer eigenen Pflegelehre.

Wer in Österreich nach der Pflichtschule eine Lehre zum Pflegehelfer machen will, ist schlicht zu jung. Erst ab 17 kann man hierzulande eine solche Ausbildung beginnen. Dadurch entsteht aber eine Lücke. Pflichtschulabgängern bleibt im Moment nur die Möglichkeit, die Zeit zu überbrücken oder eine andere Lehre zu wählen. Damit gehen sie dem Pflegebereich oft für immer verloren.

Ausbildungskombination: Vorarlberger Pilotprojekt

Ein Modellprojekt in Vorarlberg will dem entgegenwirken. Der Sozialdienstleister aqua mühle in Frastanz hat im Jahr 2011 in Zusammenarbeit mit dem Land Vorarlberg, der Wirtschaftskammer, der Schule für Gesundheits- und Krankenpflege und KR Egon Blum eine Ausbildungskombination von "Betriebsdienstleistungslehre und Pflegehilfe" geschaffen. Vier Jahre dauert die Ausbildung, an der es in Vorarlberg reges Interesse gibt.

"Wir wollten belegen, dass Jugendliche auch schon nach der Pflichtschule Interesse an einem Lehrberuf als Pflegehelfer zeigen. Auch Betriebe und Gesundheitseinrichtungen wollten sich der Herausforderung stellen, Lehrlinge auszubilden", sagt Hämmerle, Geschäftsführer von aqua mühle im Gespräch mit derStandard.at. Die frühzeitige Bindung an einen Lehrberuf als Pflegehelfer führe auch dazu, dass man mehr Menschen für die soziale Arbeit und die Pflege gewinnen könne, erklärt Hämmerle.

Interesse Jugendlicher an der Pflegelehre

Von 20 Jugendlichen, die im Herbst 2011 mit dieser in Österreich einzigartigen Ausbildungskombination begonnen haben, konnten zwölf die Betriebsdienstleistungslehre erfolgreich abschließen. Sieben von ihnen werden im Frühjahr ihre Ausbildung zum Pflegehelfer fortsetzen.

Sarah Vogel ist eine davon. Sie beginnt im März mit ihrer Ausbildung zur Pflegehelferin. Ein Lehrer in der Polytechnischen Schule hat ihr von dem Modellprojekt erzählt. "Ich wollte schon davor mit einer Ausbildung im Pflegebereich beginnen. Da ich aber erst 15 Jahre alt war, war das nicht möglich. Deshalb hat sich diese Lehre wunderbar angeboten", erzählt die mittlerweile 18-Jährige im Gespräch mit derStandard.at.

Sie absolviert derzeit den Vorbereitungskurs für die Ausbildung zur Pflegehelferin. "Da geht es um die Pflege- und Betreuungsberufe, die unterschiedlichen Fachbegriffe im Bereich der Pflege und auch die Rechtslage." Informiert werde man außerdem über weitere Ausbildungsmöglichkeiten.

"Man wächst mit den Menschen zusammen"

Die Pflegelehre wird Sarah im Altersheim in Feldkirch absolvieren. Sie kenne sich dort schon recht gut aus. Auch die Lehre zur Betriebsdienstleistungskauffrau hat sie dort gemacht, erzählt die Vorarlbergerin. "Es ist die Arbeit mit den Menschen und die Pflege, die mich erfüllt." Was ihr am besten gefällt, ist die Aktivierung der älteren Menschen, sie also dazu zu motivieren, beim Handwerken, beim Turnen, bei der Bewegung, oder auch beim "Keksle" backen zu Weihnachten mitzumachen.

"Man wächst mit den Menschen zusammen. Es ist ein gutes, ein beruhigendes Gefühl, wenn man nach Hause geht", sagt Sarah. Natürlich gebe es aber auch traurige Momente, etwa wenn ein Heimbewohner verstirbt, den man gut kannte. Damit könne sie aber mittlerweile umgehen. Auch nach Abschluss ihrer Lehre will Sarah weiterhin im Altersheim arbeiten.

Modellprojekt als Zwischenlösung

Eigentlich wollte aqua mühle die Einführung einer dualen Lehrausbildung im Sozial- und Pflegebereich vorantreiben. "Daran sind wir aber an dem Widerstand aus Gesundheits- und Sozialministerium und auch der Standesvertretung gescheitert", erklärt Hämmerle. Somit entschloss man sich, ein Modellprojekt ins Leben zu rufen.

Ziel für Hämmerle bleibt es aber weiterhin, einen neuen Lehrberuf zu etablieren, der eine duale Lehrausbildung im Sozial- und Pflegebereich ermöglicht. Die Politik sei gefordert, sich endlich mit dieser Frage zu beschäftigen. Dazu habe man am 13. November 2014 auch eine Petition im Parlament eingebracht, sagt Hämmerle.

Die Pflege als Zukunftsbranche

In Vorarlberg könne man den Mangel an Pflegekräften vor allem im Bereich der Altenpflege, in den Pflegeheimen beobachten, sagt Hämmerle. "Das hängt aber auch mit den Rahmenbedingungen zusammen, etwa der besseren Entlohnung für Pflegekräfte im Spital." Doch in Zukunft werde es auch in den anderen Pflegebereichen immer schwieriger werden, Fachkräfte zu bekommen, sagt Hämmerle.

"Pflege ist natürlich eine Zukunftsbranche, das ist keine Frage", sagt auch Beate Sprenger vom Arbeitsmarktservice Österreich. Statistisch gesehen gebe es im Pflegebereich jedoch einen deutlichen Überhang an Arbeit Suchenden und kaum freie Stellen. Das könne durchaus daran liegen, dass zwar mehr Pflegepersonal benötigt, aber nicht finanziert werden kann, erklärt Sprenger im Gespräch mit derStandard.at.

Forderung nach einer durchlässigen Ausbildungspyramide

Derzeit wird im Bereich der Pflege vor allem eine stärkere Akademisierung des Pflegepersonals diskutiert. Das schließe die Schaffung eines Lehrberufes aber nicht aus, sagt Hämmerle. Es brauche in der Pflege eine durchlässige Ausbildungspyramide, an deren Spitze selbstverständlich akademisierte Kräfte tätig seien. Aber es müsse auch von unten der Einstieg über eine Pflegelehre möglich gemacht werden, fordert Hämmerle. "Wenn die Politik den neuen beruflichen Zugang über die Lehre definieren würde, muss man sich auch überlegen die Pflegelehre durchlässig zu gestalten, so wie es in den technischen Lehrberufen bereits möglich ist."

Als Vorbild könnte die Schweiz dienen. Dort ist eine solche Ausbildungspyramide im Pflegebereich seit einigen Jahren Normalität. Auch eine duale Lehre gibt es dort. Sie dauert drei Jahre und ermöglicht die Berufsmatura oder eine Ausbildung an einer Höheren Fachschule zum diplomierten Krankenpfleger. Peter Hämmerle jedenfalls wird das Modellprojekt in Vorarlberg, solange Interesse bei Jugendlichen und Ausbildungsbetrieben besteht, auf alle Fälle weiterführen. Auch im Wissen, dass es eine bessere Möglichkeit gäbe: "Es wird sich zeigen, ob mit der beginnenden Diskussion über die Pflegeausbildung auch eine Lehre mitverhandelt und mitgestaltet wird." (Elisabeth Kleinlercher, derstandard.at, 23.11.2014)