Foto: Lukas Friesenbichler

Pro
Von Christoph Winder

Das Umhängen der Serviette wird von stilistisch unsicheren Kantonisten gerne missverstanden. Manche sehen darin das Eingeständnis des Serviettennutzers, nicht mit Messer und Gabel essen zu können; andere reduzieren die Funktion der Serviette auf ihre Schutzfunktion gegen nässende und färbende Speisen und Getränke.

Motto: Wer keine Spritzer vom Szegediner Gulasch oder Patzer vom Pinot noir auf Hemdbrust oder Hermès-Krawatte haben will, der hängt sich halt sein Latzerl um den Hals.

Tatsächlich reicht der Gebrauch der Serviette schon lange über diese infantilen Basisfunktionen hinaus. In Wahrheit geht es darum, sich durch elegant vollzogene Umhängevorgänge gesellschaftlich zu profilieren: Wer sich scheinbar mühelos in sein Latzerl wirft wie weiland ein römischer Senator in seine Toga, der hat den Beweis, dass er ein Mann von Welt ist, schon vor Tisch erbracht. Wie schade, dass das Serviettenumhängen als elementare zivilisatorische Leistung immer noch zu wenig erkannt und gewürdigt wird.

Kontra
Von Andrea Heinz

Wo gehobelt wird, da fallen Späne. Diese metaphorische Lebensweisheit will uns zum einen sagen, dass, wo im Schweiße des Angesichts gearbeitet und geschafft wird, eben auch Kollateralschäden entstehen. Zum anderen aber bedeutet das ganz schlicht: Alles im Leben hinterlässt Spuren. Glück gehabt, wer nur ein paar Falten und kleine Narben davonträgt.

Dass ausgerechnet das Essen nun, für den Erhalt des Lebens von kaum zu überschätzender Bedeutung, keine Spuren hinterlassen darf (weder im Fettgewebe noch auf der Bluse), dass es sauber und unauffällig vonstattengehen soll, ist ein geradezu anorektischer, zumindest aber unleidenschaftlicher Impuls.

Luther soll angeblich das Rülpsen und andere Körperäußerungen als Zeichen gewertet haben, dass es "geschmecket" habe. So weit braucht man nicht zu gehen. Aber ein paar Rotweinspritzer und Saucenflecken auf Tischtuch und Oberkleid können ruhig davon zeugen, wie gut es war. Da darf man seine Tischmanieren auch einmal vergessen. (Rondo Feinkost, DER STANDARD, November 2014)