Foto: Andi Urban

Ob man rote Zahlen gerne oder ungern sieht, hängt stark von den Umständen ab. Der Spieler, der beim Roulette auf "Rouge" gesetzt hat, sieht sie gerne - die Raiffeisen Bank International dagegen hätte im dritten Quartal sicher lieber Schwarz gesehen als einen Nettoverlust von 119 Millionen Euro. Da lässt sich dann beim besten Willen nicht mehr verhehlen, dass man in die roten Zahlen "gerutscht" ist bzw. solche "geschrieben" hat.

Warum "rote" Zahlen? Im Duden-Büchlein Wer hat den Teufel an die Wand gemalt? lesen wir, dass das Adjektiv "rot" in vielen Fügungen "eine nicht auf den ersten Blick erklärbare Rolle spielt" (roter Faden, roter Hahn, rote Laterne etc.). Auf den zweiten Blick erklären sich die "roten Zahlen" schlicht aus der kaufmännischen Tradition, in der Bilanz die Zahlen eines Defizits rot, die eines Gewinns schwarz zu schreiben. Die Farbsymbolik des Verlustes kennt dabei keine Grenzen. Der englische Kaufmann mit einem schlechten geschäftliches Händchen ist "in the red"; französisch heißt es "être dans le rouge", spanisch "estar en números rojos".

Die Wirtschaftsjournalisten haben sich für andere Branchen als Banken auch andere, maßgeschneiderte Arten der Verlustanzeige ausgedacht: Fluglinien "schreiben" keine roten Zahlen, sondern "fliegen sie ein", bei Autoherstellern, Bus- oder Schiffslinien werden sie "eingefahren" (" MS Deutschland in schweren Gewässern - auch 2014 wird das Schiff rote Zahlen einfahren."). Dass das Gastgewerbe rote Zahlen einkochen würde, liest man aber eher selten. (win, DER STANDARD, 22./23.11.2014)