Glück und Heim, nur du allein: Das sagen sich immer mehr junge Frauen in Österreich. So wird es zumindest behauptet.

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Es gibt da ein Gerücht, und es ist in jüngster Zeit oft zu hören. Es lautet: Junge Frauen wollen nicht arbeiten. Sie wollen stattdessen einen Mann, der Geld verdient, sie wollen zu Hause bei den Kindern bleiben, und danach wollen sie ihr Leben in dem proper gemachten Nest nur noch genießen. Das könnte man als Fortschritt auslegen oder als Egoismus oder auch als völlig weltfremd, aber nein: Zum Vorwurf wird den jungen Frauen gemacht, dass sie sich in der Rolle des rückständigen Weibchens, des "Retro-Weibchens", pudelwohl fühlen. Junge Frauen verraten den Feminismus.

Immer weniger junge Frauen sollen ausgerechnet auf das hart erkämpfte Recht auf Erwerbsarbeit, diesen wichtigen Punkt in der Frauenbewegung, Wert legen. Der entsprechende Tenor in entsprechenden Artikeln und Büchern lautet: Die Frauen von heute haben versagt, sie haben die Ideale des Feminismus verraten, und alles, was sie wollen, ist, an den Herd zurückzukehren und dem Mann ein gutes Weib zu sein. So steht es in den Klageschriften zu lesen. Man kann das auch Gefühlsjournalismus nennen. Umfragen, die diese These stützen sollen, sind Umfragen, die so - aber auch anders - gelesen werden können. Jene, die bei diesem Thema gern verwendet werden, besagen, dass sich mehr als fünfzig Prozent der Frauen zwischen 14 und 24 vorstellen könnten, der Familie zuliebe auf eine Karriere zu verzichten. Jede zweite Frau kann sich das also vorstellen? Na und? Was sagt das schon aus?

Also gut, wenn also Zahlen gefragt sind: 1994 lag die Erwerbstätigenquote von Frauen bei 46,7 Prozent, 2013 bei 53 Prozent. Die von Männern ist im gleichen Zeitraum von 68,3 auf 64,3 Prozent gesunken. Das sind Fakten, keine Umfragen.

Nicht mehr in einer Männerwelt bestehen müssen

Feminismus mag einmal bedeutet haben: Will eine Frau so ernst genommen werden wie ein Mann, muss sie seine Welt erobern. Arbeitet er fünfzig oder sechzig Wochenstunden im Büro, muss sie es auch. Das ist vorbei. Generationen von Frauen haben sich in harten Kämpfen den Weg in die Büros, die Leitungsebene von Unternehmen und die Politik geebnet. Damit wurden die Meinungen von Frauen wie selbstverständlich sichtbar gemacht. Doch heute geht es beim Feminismus nicht mehr darum, in einer Männerwelt bestehen zu müssen. Diese Männerwelt existiert so gar nicht mehr, sie ist selbst im Wandel.

Heute steht ein ganz anderes Ziel im Mittelpunkt: dass Frauen sich ihres Grundrechts bewusst werden, ihr Leben nach ihren Vorstellungen gestalten zu können, ohne sich dafür rechtfertigen zu müssen. Ganz gleich, ob sie sich dafür entscheiden, lieber zu Hause zu bleiben und ihre Kinder aufzuziehen, eine berufliche Karriere hinzulegen oder kinderlos glücklich zu sein. In keinem dieser Fälle ist die Frau eine Anti-feministin - weil die Klärung dieser Fragen gar nichts mit Feminismus zu tun hat. Es handelt sich lediglich um eine persönliche Lebensentscheidung. Dass diese von beiden Geschlechtern getroffen werden kann: Das ist Feminismus. Schließlich sollen Männer und Frauen auf Augenhöhe agieren sowie das Recht auf gleichen Zugang und die gleichen Möglichkeiten haben.

Nicht nur eine Art des Feminismus

Ordnet eine Frau heute ihre Karriere ihrem Privatleben unter, bedeutet das nicht automatisch, dass sie sich damit dem Mann unterordnet oder dass sie nicht für Gleichberechtigung eintritt. Ein glückliches Leben zu führen erfordert sehr viel Stärke. Man muss lernen, Kompromisse einzugehen, herausfinden, was man will, sein Leben definieren, ohne in vorgefertigte oder eingelernte Rollenbilder zu verfallen, und man muss lernen, Nein zu sagen - auch zu Frauen, die meinen, sie könnten einem ihre Version des Feminismus als die einzig wahre aufs Auge drücken.

Dass Mädchen in Umfragen oft sagen, sie würden lieber zu Hause bleiben, kann, abseits der Kampf- und Klagerhetorik, auch ganz andere Gründe haben: einen unflexiblen Arbeitsmarkt etwa, den ein schwerfälliger Staat daran hindert, zeitgemäße Modelle für selbstständige Tätigkeiten zu fördern und zu entwickeln; die schlechte Vereinbarkeit von Arbeit und Familie. Oder, ganz einfach: unzureichend, unfair bezahlte Jobs sowie zu wenige Kinderbetreuungsplätze.

Jede Frau wird sich eher für das entscheiden, was sie nach Einbruch der Dunkelheit nicht weinend in den Schlaf sinken lässt. Wenn das Kinder und ein Zuhause sind, Töpferkurse und Yogaunterricht, Flohmarktbesuche und Inneneinrichtungskurse, kann einen das dazu verleiten, diese Frauen zu belächeln - es gibt einem aber nicht das Recht, eine ganze Generation zu verurteilen.

Männer und Frauen um die dreißig definieren ihr Leben und ihre Lebensgemeinschaften selbst und nach eigenen Bedingungen, abseits von Schein-Rollenvorbildern, aber mit der Chance zu suchen, zu siegen oder zu scheitern. Darunter gibt es Frauen, die ihrem Mann, wenn er aus dem Büro heimkommt, ein Bad einlassen. Danach kocht der Mann für die Frau - und zwar ohne darüber zu reden oder es als Besonderheit zu sehen. Einfach, weil Frauen manches von ihren Partnern heute als selbstverständlich einfordern. Gemeinsam rückt ihr Privatleben immer stärker von dem beruflichen Aufstiegsstreben, der Karriere ab: Persönliche Freiheit und Entfaltung geht vor Macht im Beruf. Glück schlägt Geld.

Auch Frauen brennen durch

Die Wahlfreiheit, die heute gelebt werden kann, verdankt die Generation jener vor ihr - jenen Frauen, die Feminismus auf ihre Art gelebt und interpretiert haben. Aber deren Feminismus ist nicht der Feminismus des Jahres 2014. Die Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen (und das tun wir), sind andere, als sie es vor dreißig Jahren waren. Sie sind manchmal einfacher und manchmal schwieriger, und Pauschalurteile über eine Generation abzugeben verbietet allein schon der Respekt.

Heute hingegen wird vor allem polemisiert: So dürfe sich der Mann noch immer so daneben benehmen, wie er will, stand vor einiger Zeit in einem Text im Profil zu lesen, der die Generation der Dreißig-plus-Frauen angriff. Diese Jung-Glucken könnten sich ihr Heimchen-am-Herd-Idyll schnell aufmalen, wenn der Gatte mit der Yogalehrerin durchbrennt. Ja, natürlich kann er. Die Frau kann das übrigens auch - sogar mit der Yogalehrerin.

Abgesehen davon ist der Seitensprung kein rasend neues Phänomen, der erst mit jenen Frauen aufgekommen ist, die sich bewusst dafür entscheiden, Teil des Lebens ihrer Kinder zu sein. (Dass der Kindesvater Yogaunterricht nimmt, anstatt sich in ein Burnout zu hackeln, könnte man übrigens auch als Fortschritt sehen.)

Wir wollen trotzdem arbeiten. Wir arbeiten!

Für Feminismus lässt sich heute anders kämpfen, ja, muss anders gekämpft werden als früher. Diskriminierung, präpotentes Belächeln, das Absprechen von Fähigkeiten, eherne Männerrunden, in denen Geschäfte ausgeklüngelt werden, Gehaltsunterschiede, ungleiche Aufstiegschancen: Das hat fast jede Frau um die dreißig erlebt. Und wir wollen trotzdem arbeiten. Wir arbeiten! Wir wollen unsere Arbeit selbst bestimmen, genauso wie wir ein Leben neben dem Job wollen, das die Bezeichnung Leben verdient. Und ja, wir wollen auch, dass sich Männer frei entscheiden können, ob sie sich um ihre Kinder kümmern. Wir wollen, dass sie älter werden, dass sie nicht so oft an Suizid sterben, dass sie weniger häufig arbeits- und obdachlos sind. Es wird Zeit, die Feindbilder aufzugeben.

Im Studienjahr 2012/13 waren erstmals mehr als sechzig Prozent der Universitätsabsolventen Frauen. Die Zahl der Männer, die in Karenz geht, steigt. Die überproportional hohe Zahl an Männern in Führungspositionen wird sich zugunsten der Frauen ändern - weil sie stärker nachrücken, weil sie auf dem Arbeitsmarkt immer mehr werden und weil Frauen um die dreißig eine Selbstverständlichkeit um ihr Können und ihr Wollen entwickelt haben. Und weil Feminismus sich nicht an einer Karriere messen lässt, sondern danach, wieFrauen ihr Leben leben - selbstbestimmt und nach eigenen Vorstellungen. (Saskia Jungnikl, DER STANDARD, 22.11.2014)