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Ägyptische Polizei auf der Mohamed-Mahmud-Straße nahe dem Tahrir-Platz im Zentrum Kairos, wo es vor genau drei Jahren zu gewalttätigen Protesten gekommen war.

Foto: Reuters / AMR ABDALLAH DALSH

Das aktuelle Programm der Tahrir Lounge nahe dem gleichnamigen historischen Platz in Kairo sorgt für ungläubiges Staunen. Es bietet Kurse wie Malen mit Wasserfarben, Ledernähen, Body Shape, Wachsverarbeiten, Puppentheater oder Fotografie. Die Tahrir Lounge öffnete unmittelbar nach den Revolutionstagen im Februar 2011 ihre Tore. Das ehrgeizige Projekt war das geistige Kind des Goethe-Instituts. Die Lounge, die autonom arbeitet, wollte ursprünglich den politischen Wandel unterstützen. Die Räume standen allen jungen Aktivisten des Tahrir - von Liberalen bis konservativen Salafisten - offen. Verschiedene Aktivitäten sollten die Bildung von politischem Bewusstsein fördern. Heute hält man sich von allem fern, was mit Politik auch nur im Entferntesten zu tun hat.

Bald vier Jahre nach dem Sturz von Ex-Präsident Hosni Mubarak geht in der ägyptischen Zivilgesellschaft wieder die Angst um. Die Meldungen von Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die ihre Arbeit einstellen, häufen sich, jüngst zum Beispiel das Carter Center, das Wahlen beobachtet hatte, und die regionale NGO al-Marwed al-Thaqafi, die mit großem Erfolg die unabhängige Kulturszene unterstützt hatte. Andere Initiativen wie die Tahrir Lounge haben ihr Profil geändert.

Restriktives Gesetz

Der Grund liegt in einem restriktiven NGO-Gesetz und dem aufgeheizten Klima, das Abweichungen von der von Präsident Abdelfattah al-Sisi vorgegebenen Linie nicht zulässt.

Jüngst musste sich die ägyptische Regierung in Genf der periodischen Überprüfung der Menschenrechtslage durch den UN-Menschenrechtsrat stellen. Sieben unabhängige ägyptische Menschenrechtsorganisationen reisten nicht nach Genf und begründeten dies mit der Angst vor einer möglicher Verfolgung. Bei der letzten Überprüfung im Jahr 2010 hatte die Regierung Mubarak Menschenrechtsorganisationen in die Vorbereitung einbezogen. Diesmal gab es keine Konsultationen. Trotz des rosigen Bildes, das die Regierungsvertreter in Genf, gestützt auf die neue Verfassung, zeichnen wollten, müssen sie nun bis März 2015 Antworten auf 314 "Empfehlungen" - doppelt so viele wie vor vier Jahren - suchen.

Viele Kritikpunkte

Die Kritikpunkte betrafen etwa das rigorose Demonstrationsgesetz, seit dessen Inkrafttreten dutzende politische Aktivisten hohe Gefängnisstrafen erhielten, ebenso das umstrittene NGO-Gesetz aus der Mubarak-Zeit, die massenweise Verhängung der Todesstrafe sowie Einschränkungen der Rede- und Meinungsfreiheit und die blutige Auflösung der Pro-Morsi-Protestcamps mit hunderten Toten im Sommer.

Schon die Mubarak-Regierung hatte versprochen, das NGO-Gesetz aus dem Jahr 2002 internationalen Standards anzupassen. Vor kurzem lief ein Ultimatum der neuen, vom Militär gestützten Sisi-Regierung ab, das eine Registrierung genau unter diesem Gesetz verlangte. Behörden können ohne Gerichtsbeschluss NGOs schließen, ihr Vermögen konfiszieren. Das Gesetz schränkt auch die Möglichkeit, Geld aus dem Ausland anzunehmen, massiv ein. Anträge für entsprechende Bewilligungen, etwa für die Förderung durch EU-Gelder, werden teilweise monatelang nicht beantwortet. Für Verstöße wurden die Strafen kräftig erhöht.

Nach Meinung vieler Aktivisten dient das Gesetz dazu, die Zivilgesellschaft zu knebeln. Betroffen sind vor allem NGOs, die sich mit der Lage der Menschenrechte befassen. Sie können ohne ausländische Unterstützung nur beschränkt arbeiten. Mehrere NGOs weigerten sich deshalb, dem Ultimatum Folge zu leisten, und müssen nun mit harschen Strafen rechnen. Mohammed Zarie, Direktor eines Zentrums für die Rechte von Gefangenen, sprach in einer lokalen Zeitung von einer "Kriegserklärung" gegen die Organisationen der Zivilgesellschaft.

Nationale Sicherheit

Derzeit sind es die Sicherheitsorgane, die mit dem Hinweis auf die nationale Sicherheit in Ägypten alles bestimmen. Kritische Stimmen sind weitgehend verstummt, viele profilierte Kommentatoren abgetaucht. Der Satiriker Bassem Youssef gab ebenso auf wie der Schriftsteller Alaa al-Aswany, der seine wöchentliche Zeitungskolumne mit der Begründung einstellte, heute sei nur noch eine einzige Meinung erlaubt.

Ein neues, vom Verteidigungsministerium auf den Weg gebrachtes Gesetz ist ein Maulkorb für die Medien, denen unter Strafe verboten werden soll, ohne schriftliche Bewilligung der Militärführung irgendeine Information über die Armee zu verbreiten.

Ägyptische Polizei auf der Mohamed-Mahmud-Straße nahe dem Tahrir-Platz im Zentrum Kairos, wo es vor genau drei Jahren zu gewalttätigen Protesten gekommen war. (Astrid Frefel, DER STANDARD, 24.11.2014)