Wenn der Alkohol in Strömen fließt, sind auch bald die Sitten lose: "Lumpazigeist Höllenangst Umsonst", ein Nestroy-Potpourri von Helmut Köpping und Ed. Hauswirth im Schauspielhaus Graz.


foto: Lupi Spuma / Schauspielhaus

Graz - Acht Männer feiern in einem Lokal den Junggesellenabschied von Richter Emil Thurming. Es ist bereits früher Morgen, die Freunde sind spendabel, Alkohol fließt in Strömen. Man versichert sich der gegenseitigen Freundschaft, eine Stripperin gibt dem Herrenabend zusätzlichen Kick.

Das ist die schlüssige Rahmenhandlung, in die Helmut Köpping und Ed. Hauswirth vom Theater im Bahnhof ihre Nestroy-Montage Lumpazigeist Höllenangst Umsonst einbetten. Aus drei Stücken entsteht im Grazer Schauspielhaus eine Posse über Männerfreundschaft mit aktuellen Bezügen zu österreichischer Politik und Reflexionen über das Theater. Das aus Schauspielhaus und Tib harmonisch zusammengesetzte Ensemble setzt sie mit lockerem Schmäh um.

Gemeinsame Vergangenheit

Den smarten Bräutigam Emil Thurming versieht Christoph Rothenbuchner mit dem Charme des Erfolgsverwöhnten und viel Einsatz seines gut trainierten Körpers. Widerstrebend muss aber nun jeder der Freunde aus der gemeinsamen Geschichte erzählen. Wie bei einer Gerichtsverhandlung zögern die Herren, mit den Erzählungen über ihre gemeinsame Vergangenheit herauszurücken.

Der durch Thurming reich gewordene Pfrim (Sefan Suske) und sein Sohn Wendelin (Thomas Frank) haben größtes Interesse daran, dass die Herkunft ihres Vermögens nicht bekannt wird. Knieriem (Rupert Lehofer), Zwirn (Lorenz Kabas) und Leim (Matthias Ohner) hingegen haben ihr Geld im Traum gemacht, 5,6 Millionen Steuerzahlern sei Dank.

Es gilt nun, ein gerüttelt Maß an Betrug, Korruption, Unmoral und Angst zu verbergen. Und den beiden Schauspielern Arthur (routiniert Franz Solar) und Pitzl (Gerhard Balluch) bleibt nichts anderes übrig, als sich der Macht und dem Publikum anzudienen.

In diesem Konzept liegen viel theatralisches Potenzial und gescheite Ideen. Die Motive aus den Nestroy-Stücken werden witzig montiert. Im Prolog übernehmen Juliette Eröd und Martina Zinner die Funktionen des zynischen Lumpazivagabundus und der großzügigen Fortuna. Als "Feen" informieren sie das Publikum: "Acht Verantwortungsträger, drei sind dem Lumpazigeist verfallen, zwei haben eine Höllenangst, und für zwei ist alles umsonst."

Magische Fernbedienung

Kellnerin Gabi (Beatrix Brunschko) erhält von ihnen die "magische Fernbedienung", mit der sie in Zauberpossen-Manier die Bühneneffekte beherrscht. Lakonisch kommentiert sie das Treiben der angetrunkenen Männerpartie und lädt mitleidig den alten Schauspieler, der sich seinen Text nicht mehr merkt, auf einen Kaffee ein. Das Kollegium Kalksburg sorgt für Bühnen- und Pausenmusik der Sonderklasse.

Der "Polterabend mit Johann Nestroy" hätte beste Volkstheatertradition mit neuem Zugang werden können, wenn die Regisseure nicht der Versuchung erlegen wären, die besoffene Partie zu lang und breit auszuwalzen. Eine straffere, strengere Montage hätte die anfängliche Konzentration und Heiterkeit des Publikums wohl länger erhalten. (Beate Frakele, DER STANDARD, 24.11.2014)