Die Elektrifizierung hat auch auf den Adventkränzen Einzug gehalten.

Foto: Lukas Friesenbichler

Pro
Von Ronald Pohl

Aufgewachsen sind wir Freunde des Adventkranzes mit Kerzen, deren jede so dick war wie der Fuß einer trächtigen Elefantenkuh. Natürlich: Dem Anzünden am ersten Advent wohnt ein Zauber inne. Der Docht richtet sich auf. Die Großmutter stimmt ein Lied an, es riecht nach Petroleum, nach angebranntem Essen. Großmutters Stimme zittert mit der Kerze um die Wette.

Wir schreiben die 60er-Jahre. Die Kirchen brechend voll. Das Zweite Vatikanische Konzil hat noch nicht die Volksfrömmigkeit erreicht. Adventkränze sind das Flechtwerk von Kapuzinerinnen. Am Heiligen Abend wird gebackener Karpfen mit Mayonnaisesalat gereicht. Im Anschluss an das Mahl erbricht sich Großvater geräuschvoll. Erst einige Tage später gelangt die Wahrheit ans Licht. In den Haushalten zahlloser Witwen hat das Feuer der herunterbrennenden Kerzen das trockene Reisig verzehrt. Das Ergebnis: Feuersbrünste, verschmorte Greisinnen. Heute sind die Kirchen leer. Dafür glimmen die Kränze in elektrischer Pracht.

Kontra
Von Gianluca Wallisch

Alles haben sie elektrifiziert, Kühlhaus, Bügeleisen, ja sogar die Eisenbahn. Sogar des Feuers Schein haben sie in einem Glasgefäß gebändigt. Die Neumodernen hängen Elektrolichterln auf Christbäume oder stecken sie, zur Einstimmung aufs Fest, auf Adventkränze. Arme Menschheit, die du nicht wagst, die Elemente herauszufordern!

Ein Elektroadventkranz ist - stringenter Logik folgend - aus unbrennbarem Kunststoff. Und antiallergen und glutenfrei. Das ist zwar praktisch (kärchern statt basteln!), enttarnt aber den Feigling. "Advent, Advent, ein Lichtlein brennt: erst eins, dann zwei, ..." Im schlimmsten Fall gibt's einen Kurzschluss. Sicherung wieder rein, und gut ist's.

Urfad. Wo bleibt der Nervenkitzel beim Versuch, alle vier Kerzerln auf einen Zündholzstreich (die Old-School-Variante des Lichtschalters) zu entzünden, ohne sich die Fingerkuppen zu versengen? Und auch die Feuerwehr bei der Arbeit wird man so nur aus der Ferne bewundern können. No risk, no fun - meint auch das Christkind. (Rondo, DER STANDARD, 28.11.2014)