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Die benötigte Schlafdauer kann sich von Kind zu Kind um mehrere Stunden unterscheiden.

Foto: apa

Anton ist neun Monate alt und hat noch nie eine Nacht durchgeschlafen. Die anderthalbjährige Mina kann nur in den Armen der Mutter einschlafen – auch wenn sie in der Nacht wach wird. Die zehnjährige Lena hat im Dunkeln immer Angst. Dann weint sie und tapst immer wieder zu ihren Eltern, am Ende schläft sie bei ihnen im Bett.

Die Eltern von Anton, Min und Lena sind verzweifelt: Warum schläft ihr Kind einfach nicht? "Schlafstörungen können Eltern enorm belasten", sagt Oskar Jenni, leitender Arzt der Abteilung Entwicklungspädiatrie an der Uni-Kinderklinik in Zürich. "Doch mit der richtigen Beratung kann vielen Familien geholfen werden."

Beratung wirkt

Damit meint er das sogenannte Zürcher Drei-Stufen-Konzept, das in den vergangenen 20 Jahren entwickelt wurde. Es zeigte in Studien bereits Wirkung: Nach der dreistufigen Beratung schliefen die Kinder länger am Stück, wachten nachts seltener auf und waren tagsüber zufriedener. Gerade hat Jennis Forscherteam in einer Studie mit 79 Kleinkindern nachgewiesen, dass das Konzept Wirkung zeigt. Die Ergebnisse werden demnächst im "Journal of Clinical Sleep Medicine" nachzulesen sein. "Einige Fachleute empfehlen immer noch, Kinder schreien zu lassen", sagt Jenni. "Wir verfolgen einen anderen Ansatz, der die Eigenheiten und Bedürfnisse der Kinder berücksichtigt."

Nicht alle Kinder brauchen gleich viel Schlaf

Vor einer Beratung müssen die Eltern zwei Wochen lang dokumentieren, wann ihr Kind schläft und wann es wach ist. Im ersten Schritt sieht das Zürcher Konzept dann einen geregelten Tagesablauf vor: Essen, Schlafen und Spielen sollten möglichst immer zur gleichen Zeit stattfinden. "Das hilft enorm, denn manche Kinder brauchen länger, um ihren Schlaf-Wach-Rhythmus zu finden", sagt Jenni. Im zweiten Schritt wird die Bettgehzeit an den individuellen Schlafbedarf angepasst.

"Viele Eltern glauben, Kinder bräuchten generell viel Schlaf", sagt Jenni. "Die Schlafdauer kann sich aber von Kind zu Kind um mehrere Stunden unterscheiden." Bei Anton beispielsweise zeigt das Schlafprotokoll: Er ist ein Kurzschläfer. Nach und nach legen seine Eltern ihn also jeden Tag etwas später schlafen und wecken ihn morgens früher. Schon nach zwei Wochen schläft Anton durch.

Ziel: Im eigenen Bett bleiben

Im dritten Schritt sollen die Kinder lernen, selbstständig einzuschlafen. "Dafür sind Einschlafrituale sehr wichtig", sagt Binia Roth, Psychologin an der Uni-Kinderklinik in Basel. Sie vereinbarte mit der zehnjährigen Lena folgendes Ritual: Pyjama anziehen, Gute-Nacht-Geschichte hören, Kuscheln mit den Eltern. Wird Lena nachts wach, darf sie nach den Eltern rufen, die dann kommen und sie beruhigen. Sie selbst bleibt aber in ihrem Bett. Dafür gibt es eine Belohnung. "Die ersten drei Nächte fand Lena schwierig", erzählt Roth. "Es gelang ihr aber, nicht zu den Eltern zu gehen, und sie war sehr stolz darauf." Nach vier Wochen konnte Lena problemlos alleine in ihrem Bett durchschlafen.

Einschlafrituale versus Einschlafhilfen

Einschlafrituale dürfe man nicht mit Einschlafhilfen verwechseln, bei denen die Eltern das Kind beispielsweise herumtragen, bis es einschläft, sagt Roth. "Die Kinder gewöhnen sich daran und können dann ohne die Hilfen nicht mehr einschlafen." So wie die anderthalbjährige Mina. Jenni rät Minas Mutter, schrittweise die Einschlafgewohnheiten zu ändern: Sie legt die Kleine hin, bleibt nah bei ihr sitzen und streichelt sie, nimmt sie aber nicht mehr aus dem Bett. Als Mina die Änderung akzeptiert, rückt die Mutter den Sessel allmählich weiter weg, bis sie schließlich das Kinderzimmer verlässt. Nach einem Monat schläft auch Mina alleine ein und durch. (Felicitas Witte, derStandard.at, 28.11.2014)