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Papst Franziskus und der Großmufti von Istanbul, Rahmi Yaran.

Foto: AP/ L'Osservatore Romano

Istanbul/Wien - Die Voraussetzungen waren diesmal deutlich besser als beim letzten Papstbesuch: Als Benedikt XVI. im Jahr 2006 aufbrach, um die Türkei im Allgemeinen und die kleine Herde von 100.000 bis 150.000 Christen - römisch-katholisch sind davon nur etwa 15.000 - im Speziellen zu besuchen, war der erste große Eklat in der Ära des deutschen Papstes erst wenige Wochen alt. In einem Vortrag an der Universität Regensburg im September 2006 zitiert Benedikt XVI. eine Textstelle des spätmittelalterlichen byzantinischen Kaisers Manuel II. Palaiologos, wonach der Islam "nur Schlechtes und Inhumanes" mit sich gebracht habe. Der Protest aus der islamischen Welt ließ bekanntlich nicht lange auf sich warten. Der Papst musste sich mehrfach entschuldigen, Benedikts Türkei-Reise wurde eine vorsichtige.

Macht der Gesten

Papst Franziskus setzte hingegen bei seinem Besuch erneut auf seine große Stärke: die Macht der Gesten. Betend gen Mekka geneigt, einträchtig neben dem Istanbuler Mufti Rahmi Yaran in der "Blauen Moschee". Franziskus mit geschlossenen Augen und gefalteten Händen, der Mufti die Hände vor der Brust erhoben - ein starkes Zeichen gelebter Ökumene in Zeiten anhaltenden islamistischen Terrors.

Überdeckt werden dadurch auch die letztlich fehlgeschlagenen Versuche von Papst Benedikt XVI., die Grenzen zu religiösen "Mitbewerbern" schärfer zu ziehen. Etwa durch das 2007 öffentlich gewordene - und vom Papst unterzeichnete - Dokument, in dem bekräftigt wird, dass die protestantischen Kirchen keine Kirchen im eigentlichen Sinn seien. 2008 lässt der Papst die Karfreitagsfürbitte wieder zelebrieren: "Zur Erleuchtung und Rettung der Juden durch den Christengott." Juden und Katholiken sind gleichermaßen entsetzt. Oder, um es mit den Worten des jüdische Historikers Michael Wolffsohn auszudrücken: "Dieser Papst hat Juden gegenüber seine Chancen verpasst, islamische Fundamentalisten unfreiwillig gestärkt und in dieser Hinsicht sein Pontifikat verpatzt."

Geschwindigkeit bewusst knapp am Stillstand

Letztlich widerspiegelten die Aussagen damals aber nur die generelle Haltung der römisch-katholischen Kirche: Die Ökumene ist ein Weg, den man bewusst langsam geht. Mit Respekt und Freundschaft, aber immer knapp am Stillstand.

Papst Franziskus könnte jetzt mit seiner unkonventionellen Amtsführung für Tempo auf dem steinigen Pfad der Gemeinsamkeit sorgen. Sein klares Bekenntnis zur Ökumene und einem interreligiösen Dialog, besonders mit Judentum und Islam, zeugen von einem neuen Amtsverständnis.

Neunzehn Jahre nach dem Erscheinen der Enzyklika Ut unum sint, mit der Johannes Paul II. von der Möglichkeit eines neuen Verständnisses des Papstamtes gesprochen hat, um Ökumene zu ermöglichen, scheint nun Papst Franziskus auf einem guten Weg zu sein. Es gilt eine Form des Petrus-Diensts zu finden, der nicht mehr länger ein Stolperstein, sondern eine Hilfe für die Ökumene ist. Die Ökumene ist eine der wichtigsten "Baustellen" für die Kirche der Zukunft. Um es mit päpstlichen Worten zu sagen: "Es ist erforderlich, dem Fanatismus und dem Fundamentalismus die Solidarität aller Glaubenden entgegenzusetzen." (Markus Rohrhofer, DER STANDARD, 1.12.2014)