Historische Ansicht der Wittgenstein-Villa in Oberalm.

Wittgensteinarchiv Cambridge © Stefan Zenzmaier

Salzburg - Die kleine Gemeinde Oberalm im Süden der Landeshauptstadt könnte schon bald zu einem Zentrum der internationalen Philosophenszene werden. Der Architekturhistoriker Norbert Mayr und der Literaturwissenschafter Karl Müller von der Universität Salzburg sind sich nach intensiver Forschungsarbeit sicher, dass in der 1874 errichteten Fischer-Villa Ludwig Wittgenstein (1889-1951) seinem Hauptwerk, dem Tractatus logico-philosophicus, die endgültige Fassung verliehen hatte.

Philosopher in Residence

Der weltberühmte Philosoph sei im Sommer 1918 auf Fronturlaub bei seinem Onkel Paul Wittgenstein in Oberalm gewesen, erzählt Mayr im Standard- Gespräch. Hier habe er den Tractatus fertiggestellt. Der 1928 verstorbene Paul Wittgenstein hatte die Sommerfrischevilla 1889 erworben. Heute ist sie im Besitz der Witwe des 2010 verstorbenen Chirurgen und Wissenschafters Oskar Boeckl.

Mayr und Müller haben die Initiative "Villa Wittgenstein Oberalm" ins Leben gerufen. Ziel ist es, in dem historischen Gebäude ein Philosophie- und Kulturzentrum einzurichten. "So etwas Außergewöhnliches und Spannendes kann sich jeder Ort, jede Region, die sich noch einen Funken kultureller Identität bewahrt haben, nur erträumen", sagt Müller. Unter anderem soll Wittgensteins Zimmer als Wohnung für einen "Philosopher in Residence" adaptiert werden.

Kulturelles Erbe

Nachdem Abrisspläne - das Haus sollte einem Wohnbauprojekt weichen - vorerst abgewendet werden konnten, plädieren Mayr und Müller dafür, dass Land und Bund das Gebäude erwerben und zu einem Kulturzentrum umbauen. Salzburgs Kulturlandesrat Heinrich Schellhorn (Grüne) steht der Initiative sehr positiv gegenüber: Sobald ein konkretes Projekt stehe, könne er sich vorstellen, aus dem Budgetposten "kulturelles Erbe", aus dem beispielsweise auch Kirchenrenovierungen mitfinanziert werden, einen Beitrag zu leisten. (Thomas Neuhold, DER STANDARD, 5.12.2014)