Besonders grünen Säften wird von Detox-Fans große Wirkung nachgesagt.

Foto: Detox Delight

Wenn die meisten Menschen schlafen, steht Tanja Eberwein in der Küche und presst Obst und Gemüse aus: 300 Liter Saft stellt sie dreimal in der Woche her, das dauert etwa fünf Stunden. Vor einem Jahr hat sie das Münchener Unternehmen "Detox Delight" nach Österreich gebracht. Seither verschickt sie dreimal in der Woche frühmorgens ihre Säfte an Kunden im ganzen Land, die ihren Körper von innen reinigen und entgiften wollen.

Wie viele Lifestyle-Trends kommt Detox aus den USA. Das Geschäft mit dem Entgiften läuft aber auch in Österreich immer besser: Im Jänner wird Eberwein in ein größeres Geschäftslokal umziehen - am neuen Standort soll dann auch das Sortiment erweitert werden. Ihre Kunden sind Frauen jeden Alters, aber auch bei Männern merkt sie einen "extremen Anstieg".

Die Idee hinter Detox: "Im Stoffwechselprozess entwickelt der Körper Abfallprodukte, von denen er manche nicht auf natürlichem Weg ausscheiden kann und die sich dann im Körper einlagern", erklärt Eberwein. Schädliche Stoffe wie Nikotin und ungesundes Essen lagern sich laut Detox-Philosophie im Körper als "Schlacke" ab - ein Begriff, den Eberwein aber ausdrücklich nicht verwenden will: Der Begriff ist kontrovers, in der Schulmedizin wird bestritten, dass es so eine Schlacke überhaupt gibt.

Wer entgiftet, bringt den Körper wieder in Balance und gleicht den Säure-Basen-Haushalt aus, weil auf übersäuernde Lebensmittel verzichtet wird. Die Gewichtsreduktion ist lediglich ein Nebenprodukt: Durch den Verzicht auf feste Nahrung wird die Verdauung entlastet, die überschüssige Energie in andere Stoffwechselprozesse wie Fettverbrennung gesteckt, sagt Eberwein. Obendrein soll es einen "Detox-Glow" geben - die Haut also durch das Entgiften regelrecht zu strahlen beginnen.

Nebenwirkungen vom Entgiften

So weit, so vielversprechend. Dafür darf aber beim "Juice Cleanse" im Idealfall tagelang wirklich nur getrunken werden - fünf Obst- und Gemüsesäfte sieht das Programm vor, anstatt des Abendessens steht ein Glas Mandelmilch auf dem Speiseplan. Beim Mini-Selbstversuch steht schnell fest: Die schön anzusehenden grünen, roten und gelben Säfte schmecken zwar super - satt machen sie aber nicht.

Erst ab fünf Tagen macht eine Detox-Kur Sinn, so Eberwein, die gerade selbst wieder damit begonnen hat. Nebenwirkungen bemerke sie keine - die meisten Detox-Neulinge werden aber an den ersten Tagen von Hungergefühlen, Verdauungsstörungen, Kopfweh oder Schmerzen in den Extremitäten geplagt. "Das ist ein gutes Zeichen", meint Eberwein. Das zeige, dass der Körper mit der Entgiftung beginne.

"Sehr nebulös" findet diese Interpretation Kurt Widhalm, Leiter der Abteilung für Ernährungsmedizin der Meduni Wien. Er muss ein wenig schmunzeln, wenn er von Detox hört: "Wissenschaftlich hängt der Begriff komplett in der Luft", sagt Widhalm. "Dass man durch gewisse Verfahren Gifte spezifisch aus dem Körper entfernen kann, ist eine naive und durch wissenschaftliche Studien nicht belegbare Behauptung."

Für die Entgiftung des Körpers sind nämlich innere Organe wie Niere, Leber und Galle zuständig. Laut Eberwein reicht das aber nicht aus: ""Durch unser gesamtes Tun und unseren Lebensstil belasten wir den Körper, so dass er das Entgiften alleine nicht mehr schafft."

Ungesunder Lebensstil

Stimmt nicht, sagt Widhalm: Die tägliche Belastung durch Toxine sei heute um ein Vielfaches geringer als früher. Das weitaus größere Problem: "Die Menschen leben ungesund und essen zu viel."

Der grundsätzlichen Idee des Fastens steht Widhalm daher positiv gegenüber. Eine Kur bestehend aus reinen Obst- und Fruchtsäften findet er "gar nicht schlecht": Wer gesund ist und sich zwei Wochen lang von Säften, also etwa 600 Kalorien pro Tag ernährt, wird mit aller Wahrscheinlichkeit einen positiven Effekt vom konsequenten Hungern erwarten können, meint der Experte. Dieser Effekt besteht nicht nur aus der Gewichtsreduktion, sondern auch aus einer Verbesserung der Blutfettwerte, einer Senkung des Blutdruckes und einer Verbesserung des Insulinstoffwechsels.

Routine-Check vor Fasten

Aber nicht für alle ist Fasten empfehlenswert: Für Menschen, die an einer unentdeckten Herz-Insuffizienz, Nierenproblemen oder Bluterkrankheit leiden und auch noch stark übergewichtig sind, könne so eine Kur problematisch sein. Daher empfiehlt Widhalm, sich vorab von einem Arzt mit Diplom für Ernährungsmedizin routinemäßig untersuchen zu lassen.

Zu Detox-Kuren gibt es im Internet jedenfalls unzählige Anleitungen und Rezepte. Wer sich die fixfertigen Produkte lieber zustellen lässt, anstatt sich selbst am Entsafter zu versuchen, zahlt dafür natürlich einen stolzen Preis: Fünf Tage kosten bei Detox Delight ab 255 Euro. "In jedem Fläschchen stecken bis zu 3 Kilo Obst- und Gemüse", sagt Eberwein. Außerdem wird Wert auf saisonale und regionale Produkte gelegt. "Und ob man den Preis als teuer empfindet ist auch immer eine Frage der persönlichen Priorität. Für die eigene Gesundheit und das Wohlbefinden zahlt es sich auf jeden Fall aus, zu investieren", so Eberwein.

Vielleicht reicht für Anfänger aber auch ein Saft pro Tag - und das dafür konsequent. Eberwein empfiehlt zum Beispiel, das Frühstück durch einen grünen Saft oder Smoothie zu ersetzen. Bei der Ernährung geht es immer um Nachhaltigkeit, sagt Widhalm: "Denn die Gefahr ist, dass man nach Ende der Fastenkur wieder genau so weitermacht wie vorher." Eine Kur sollte aber Gelegenheit sein, den alltäglichen Lebensstil zu überdenken - etwa, dass man auch mit einer geringeren Energiezufuhr und weniger Fleisch auskommt: "Und wenn das mit Frucht- und Gemüsesäften gelingt, dann ist das doch gut." (Franziska Zoidl, derStandard.at, 1.1.2015)