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Rund ein Drittel der depressiven Patienten spricht nicht auf derzeitigen Therapien an

Foto: APA/dpa/Julian Stratenschulte

St. Louis/Wien - Seit mehr als 150 Jahren wird Distickstoffmonoxid (N2O), besser bekannt als Lachgas, zu Narkosezwecken eingesetzt. Nun zeigt sich, dass es bei schweren Depressionen helfen könnte - auch bei Patienten, die nicht auf die Standardtherapie ansprechen. Dies berichtete der aus Österreich stammende Anästhesist Peter Nagele am Dienstag bei der Jahrestagung des American College of Neuropsychopharmacology und online im Fachjournal "Biological Psychiatry".

Nagele und seine Kollegen von der Washington University School of Medicine in St. Louis (US-Bundesstaat Missouri) haben in ihrer Studie 20 schwer depressive Patienten behandelt, die auf keine Standardtherapie ansprachen. Sie wurden im Abstand einer Woche zwei Mal therapiert - einmal bekamen sie eine Mischung aus 50 Prozent Sauerstoff und 50 Prozent Lachgas, einmal nur herkömmliche Luft, also ein Placebo. Dabei wussten weder die Wissenschafter noch die Patienten welche Gasmischung verabreicht wurde.

Wirkung binnen Stunden

Sieben der 20 Patienten zeigten einen Tag nach der Behandlung mit Lachgas eine leichte Verbesserung ihrer Symptome wie Traurigkeit, Schuldgefühle, Selbstmordgedanken, Angst und Schlaflosigkeit. Bei weiteren sieben waren die Verbesserungen deutlich. Bei drei Patienten waren die Symptome völlig verschwunden. Dabei stellte sich die Verbesserung meist bereits zwei Stunden nach der Behandlung ein - während herkömmliche orale Antidepressiva üblicherweise mehrere Wochen benötigen, bevor Patienten darauf ansprechen. Die Placebo-Behandlung hatte dagegen signifikant geringere positive Effekte.

Nagele hat bereits 2004 nachgewiesen, dass Lachgas die sogenannten NMDA-Rezeptoren (N-Methyl-Aspartat-Rezeptoren) hemmt. "Nachdem dann gezeigt wurde, dass das Ketamin - ebenfalls ein NMDA-Rezeptor-Hemmer - eine schnelle antidepressive Wirkung bei therapieresistenten Depressionspatienten hat, wollten wir es auch mit dem ähnlich wirkenden Lachgas versuchen", so Nagele.

Kaum Nebenwirkungen

Denn N2O hat entscheidende Vorteile: Während Ketamin stark halluzinogen ist, hat Lachgas kaum Nebenwirkungen, nur bei 15 Prozent der damit behandelten Patienten trat kurzfristig Übelkeit auf. "Die sedierende Wirkung von N2O ist innerhalb weniger Minuten vollkommen vorbei, das Gas verlässt innerhalb dieser Zeit den Körper vollständig", sagte Nagele.

Es sei eigentlich überraschend, dass bisher noch niemand daran dachte, eine Substanz, die Leute zum Lachen bringt, für die Behandlung von depressiven Patienten einzusetzen, so der Anästhesist. Die Ergebnisse müssten noch reproduziert werden, aber sie seien vielversprechend. Immerhin spricht rund ein Drittel der depressiven Patienten nicht auf die derzeitigen Therapien an. Speziell die rasche Wirkung von Lachgas könnte bei Patienten hilfreich sein, die selbstmordgefährdet sind oder aus anderen Gründen schnell Hilfe benötigen. Auch zur Überbrückung der Zeit, bis herkömmliche Therapien greifen, könnte N2O eingesetzt werden.

Die Wissenschafter wollen jedenfalls die Untersuchungen auf eine größere Patientenzahl ausweiten. Auch die Effekte unterschiedlicher N2O-Konzentrationen sollen genauer analysiert werden. (APA/red, derStandard.at, 9.12.2014)