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Lisa Kaltenegger beschreibt sich als "optimistische Chaotin".

Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

Mach, was dich begeistert! Das ist das Credo der österreichischen Astrophysikerin, die derzeit an der renommierten Cornell University in den USA als Professorin ihr eigenes Institut für "kleine blaue Planeten" aufbaut. Ihre Karriere führte die 1977 in Kuchl bei Salzburg Geborene von der Universität Graz zur Europäischen Weltraumorganisation (ESA) in die Niederlande. Mit 27 wechselte sie an die Harvard University, 2010 übernahm sie zusätzlich die Leitung einer Forschungsgruppe am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg.

Bevor sie sich der Astronomie zuwandte, studierte Kaltenegger Filmwissenschaften, Japanisch, Spanisch und ein bisschen BWL. "Ich habe mir nach der Matura ein Semester Zeit gegeben, um Vorlesungen in den unterschiedlichsten Fächern zu hören", erzählt sie. "Das hat mir total geholfen zu entscheiden, was ich als Beruf machen will." Von ihren Eltern sei ihr dabei völlige Freiheit eingeräumt worden.

Heinz Fischer beruhigte

Nach den Studien der Technischen Physik und der Astronomie promovierte sie 2004 sub auspiciis über die Suche nach extrasolaren Planeten, also jenen, die um andere Sonnen kreisen. "Der Bundespräsident Fischer war so nett bei der Verleihung und hat gesagt: "Brauchens net nervös sein, das schaff ma schon", erinnert sie sich lachend. Eine Perfektionistin sei sie aber nicht, eher eine "optimistische Chaotin". "Wenn alles perfekt sein müsste, hätte ich schon längst einen Herzinfarkt", betont die Mutter einer sechsmonatigen Tochter.

Die ausgezeichnete Kinderbetreuung an der Cornell University sei für sie und ihren Mann, den portugiesischen Weltraumingenieur Filipe Pereira, neben fachlichen Kriterien mit ein Grund gewesen, wieder von Deutschland in die USA zu wechseln. "Kinderbetreuung muss ein Familienproblem sein, kein Problem der Frauen", betont sie, "sonst wird es immer als Randproblem gesehen."

Sie hätten beide die ersten drei Monate nach der Geburt als Elternzeit genommen, danach in den USA beide anfangs drei Monate halbtags gearbeitet und forschten nun wieder in Vollzeit, obwohl sie noch stille. "Die Kindergruppe direkt an der Uni, wo wir die Kleine völlig flexibel bringen und abholen können, macht das möglich." Mit Erhalt der Professur sei ein Betreuungsplatz in der Krippe garantiert, diese habe dieselben Öffnungszeiten wie die Universität: "Uni auf und Krippe zu, das gibt es hier nicht."

Sind wir allein im Universum

Da ihre Forschung zum Großteil von Steuergeldern finanziert sei, sehe sie es als Teil ihres Jobs an, diese auch einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Kaltenegger unterrichtet deswegen z. B. an der Kinderuni in Heidelberg, im Zoom Kindermuseum in Wien oder bei der "Falling Walls"-Konferenz in Berlin. Bei einem Thema, das "so einfach zugänglich ist", falle ihr das leicht: "Erstmals in der Menschheitsgeschichte können wir erforschen, ob wir allein im Universum sind oder nicht", erklärt sie. "Rund jeder fünfte Stern hat Planeten in einem solchen Abstand, dass es nicht zu heiß oder zu kalt dort ist. Darum ist es nicht ausgeschlossen, dass es eine zweite Erde gibt."

2018 wird der Nachfolger von Hubble, das James Webb Space Telescope, ins All starten, und 2022 wird das EELT (European Extremly Large Telescope) in Chile in Betrieb gehen. Damit werde es ihr und ihrem Team möglich sein, die "spektralen Fingerabdrücke" von felsartigen Exoplaneten erstmals zu erforschen. "Wir messen wie bei einer Spektralanalyse die Intensität der einzelnen Farben. Welche fehlen, gibt Aufschluss über die mögliche Beschaffenheit der Atmosphäre eines Planeten, auch wenn er Lichtjahre entfernt ist." Dies erlaube zum ersten Mal auch einen Blick in die mögliche Zukunft unseres eigenen Planeten und auf die Frage: Auf was sollten wir uns vorbereiten?

Ihre eigene Planung, so erzählt Kaltenegger lachend, umfasse nicht mehr als drei bis fünf Jahre. Ihr größer Erfolg sei immer "der jeweils jüngste": zuletzt zum Beispiel der Heinz-Meier-Leibnitz-Preis für Physik. Bei dem Vortrag zur Verleihung habe sie ganz bewusst ein Kleid statt Hosen und Sakko getragen. "Wenn schon einmal eine Frau in diese Position kommt, möchte ich das auch bewusst sichtbar machen – und so jungen Frauen zeigen, dass Spitzenforschung in der Physik nicht nur Männersache ist." (Tanja Paar, DER STANDARD, 17.12.2014)