Umweltminister Andrä Rupprechter will sich in die Diskussion um die Steuerreform nur intern einbringen - eine ökosoziale Komponente müsse sich ohne Belastung der Autofahrer ausgehen.

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STANDARD: Wenn Sie mit der Familie Weihnachten feiern, kommen da aus Solidarität mit den vom HCB-Skandal betroffenen Bauern Produkte aus dem Kärntner Görtschitztal auf den Tisch?

Rupprechter: Wir werden in Tirol, in Alpbach, feiern. Und wir werden regionale Produkte konsumieren - ich betone ja immer wieder: "Schau drauf, wo's herkommt." Weil kurze Transportwege dem Umweltschutz dienen - auch wenn ich Kärntner Salami mag.

STANDARD: Die Bauern im Görtschitztal, die ihre Produkte jetzt nicht verkaufen können, wird das nicht trösten.

Rupprechter: Der HCB-Skandal ist ein schlimmes Ereignis - aber man muss festhalten, dass es ein regional abgegrenztes Ereignis ist. Jetzt ist höchste Priorität, dass die Bevölkerung sichere Lebensmittel bekommt, die nicht kontaminiert sind - das ist in der Zuständigkeit der Lebensmittelbehörden. Das hat man bewusst zwischen Gesundheitsministerium und unserem Haus getrennt. Und ich bin froh, dass jetzt geklärt wird, wie es zu diesem Organversagen gekommen ist, wo zwischen den Abteilungen und der politischen Ebene die Kommunikation nicht funktioniert hat und wie die Verantwortungen liegen.

STANDARD: Die zentrale Verantwortung trifft Sie. Paragraf 1 des Umweltkontrollgesetzes besagt: "Der Bundesminister für Umwelt hat im Allgemeininteresse ... den Zustand und die Entwicklung der Umwelt sowie der Umweltbelastungen zu beobachten und laufend zu erheben." Hätten Sie das getan, wäre das Problem viel früher aufgefallen.

Rupprechter: Wir haben am 26. November durch eine Pressemitteilung des dortigen Agrarlandesrates erstmals Kenntnis davon erlangt, dass es hier HCB-Belastungen gibt - nachdem die Kärntner Behörden offensichtlich seit April Kenntnis davon hatten. Der Kärntner Umweltlandesrat hat angeblich am 6. November davon erfahren und veranlasst, dass die untertemperaturige Verbrennung von Blaukalk in diesem Zementwerk eingestellt wird.

STANDARD: Sie müssten doch seit Jahren davon gewusst haben, wenn Ihr Haus geprüft hätte - die Verbrennung des Blaukalks wurde vom Altlastensanierungsfonds sogar gefördert?

Rupprechter: Moment, Moment: Die Zuständigkeit ist im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung schon eindeutig: Der Landeshauptmann von Kärnten hat einen Bescheid für die Verbrennung dieser Altlast ausgestellt. Das ist eine durchaus sinnvolle Maßnahme nach dem letzten Stand der Technik, wenn die entsprechenden Auflagen erfüllt werden. Wäre das entsprechend umgesetzt worden, hätte es das Problem auch nicht gegeben. Es ist Sache des laufenden Verfahrens zu prüfen, ob der Bescheid in Ordnung war und ob die Bescheidauflagen kontrolliert wurden - aber im Zuständigkeitsbereich der Kärntner Landesregierung. Ab dem Moment, wo wir Kenntnis hatten, haben wir die Weisung erteilt, dass wir umfassend und laufend informiert werden.

STANDARD: Seit den 80er-Jahren wird die Zementindustrie immer stärker als thermischer Entsorger herangezogen - angefangen von Altreifen bis zu allen möglichen Sonderabfällen. Wäre es nicht sinnvoll, bei sämtlichen Zementwerken zu prüfen, was da rauskommt?

Rupprechter: Das ist in der Zwischenzeit erfolgt. Wir haben veranlasst, dass überall, wo Altlasten saniert werden, verstärkt Screenings erfolgen und Bescheidauflagen geprüft und möglicherweise verschärft werden - hier ist das Umweltbundesamt angewiesen, die Expertise zur Verfügung zu stellen.

STANDARD: Warum hat man das nicht laufend gemacht - dafür ist das Umweltkontrollgesetz doch da?

Rupprechter: Weil bei sachgerechter Anwendung bei mehr als 850 Grad Celsius keine Notwendigkeit eines Screenings gegeben ist, weil ab diesen Temperaturen die Moleküle völlig zerstört werden und Stoffe wie HCB nicht emittiert werden.

STANDARD: Politisch stehen Sie dazu, dass man Sonderabfälle verbrennt?

Rupprechter: Die thermische Behandlung erscheint mir als sinnvoller Weg, weil alle Experten sagen, dass die gefährlichen Wirkstoffe so besser entsorgt werden können, als wenn sie in gefährlichen Deponien liegen.

STANDARD: Bleiben wir bei den gefährlichen Deponien: Da gibt es die Schlacken der Voest, die nun per Verordnung zu Baumaterial für den Straßenbau werden sollen?

Rupprechter: Die Recycling-Baustoffverordnung ist bis Mitte Jänner in Begutachtung. Da ist mehr als ein Jahr mit den Firmen und mit Nichtregierungsorganisationen verhandelt worden, wobei die Einbringung solcher Schlacken in der gebundenen Form als umweltverträglich gilt. Bisher sind die Stellungnahmen relativ positiv.

STANDARD: In einer Stellungnahme der Schotterwirtschaft lese ich: "Die Grenzwerte für den Einbau von Schlacke sind zum Teil 20-fach höher als für Recycling-Baustoffe. Laut Umweltbundesamt können negative Auswirkungen auf das Grundwasser nicht ausgeschlossen werden." Und: Österreichs Straßen würden zur Linien-Deponie für Europas Stahlproduzenten.

Rupprechter: Die Schotterwirtschaft hat da ein spezifisches Interesse. Es geht nicht um den Import von Schlacken.

STANDARD: Kann man den Import verhindern?

Rupprechter: Auftraggeber im Straßenbau ist fast ausschließlich die öffentliche Hand. Bei Ausschreibungen können Kriterien wie Transportwege festgelegt werden, was Importe verhindern kann.

STANDARD: Und warum wird da nicht stofflich verwertet, da steckt ja noch Eisen drin. Böhler-Uddeholm hat dazu meines Wissens ein Verfahren?

Rupprechter: Schlacke enthält rund 20 Prozent Eisen. Das rauszuholen ist sehr energieintensiv, entsprechend teuer und rentiert sich daher derzeit - auch aus Sicht der Umwelt - nicht.

STANDARD: Weil wir von Rentabilität sprechen: Benzin kostet ein Drittel weniger als im Frühjahr. Warum tritt die ÖVP als Partei der ökosozialen Marktwirtschaft nicht dafür ein, das abzuschöpfen? Bei gleichbleibendem Benzinpreis wäre ein Teil der Steuerreform finanziert - und es hätte kaum jemand gespürt?

Rupprechter: Da muss ich Sie enttäuschen - zur Steuerreform haben wir ein Prozedere vereinbart, an das ich mich halte. Ich wünsche mir eine ökosoziale Komponente für die Steuerreform. Diese Vorschläge habe ich dem Finanzminister übergeben, der das durchaus wohlwollend prüft.

STANDARD: Wie stark soll diese ökosoziale Komponente sein?

Rupprechter: Das muss nicht eine Belastung sein, das könnte ja auch ein Anreizsystem sein.

STANDARD: Ihnen tut es nicht weh, wenn Treibstoff ständig billiger wird?

Rupprechter: Ich glaube, man kann eine ökologische Steuerreform auch ohne Belastung der Autofahrer, auch ohne Belastung der Steuerzahler machen.

STANDARD: Windfall-Profits abzuschöpfen wäre ja keine Belastung?

Rupprechter: Bitte um Verständnis, mehr sage ich heute nicht. (Conrad Seidl, DER STANDARD, 20.12.2014)