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Der Herr Autor (Tonio Arango als Alexandre Dumas) behält sein bemitleidenswertes Geschöpf (Sandra Cervik) fest im Griff.

Foto: APA / Theater in der Josefstadt / Moritz Schell

Wien - Unter ihren vielen Liebhabern und Förderern hat sich die berühmteste Lebedame des 19. Jahrhunderts ausgerechnet den Autor zum Favoriten erkoren. Im Wiener Josefstadt-Theater wird Die Kameliendame gegeben: in einer umständlichen und wenig theatertauglichen Bühnenfassung von Herbert Schäfer.

Marguerite Gautier (Sandra Cervik) führt als das Lustobjekt vermögender Männer ein Leben in Saus und Braus. Zugleich ist sie nicht nur wegen ihrer Schwindsucht das ärmste Geschöpf der Welt. Folgt sie einmal tatsächlich dem Ruf ihres Herzens, verwehrt ihr die verheuchelte Gesellschaft sofort den Zutritt zu den Annehmlichkeiten einer bürgerlichen Existenz.

Am Anfang liegt Cervik denn auch flach auf der Bühne, eine Wildente oder ein schöner Fasan, den die Pariser Gesellschaft aus Übermut vom Gesellschaftshimmel heruntergeschossen hat. Der unvermeidliche Schluss der herzzerreißenden Geschichte steht somit am Anfang. Und man könnte sich auch fragen, was - Verdi-Oper hin oder her - diese Kurtisanenschmonzette eigentlich auf der Bühne eines modernen, aufgeklärten Theaters zu suchen hat.

Zu diesem Zeitpunkt weiß man noch nicht, was Regisseur Torsten Fischer alles eingefallen ist. Die Figur des jungen Armand Duval zersprengt er in zwei Hälften. Den gröberen Brocken schleppt der Erzähler (Tonio Arango) mit sich herum, ein liederlich wirkender und auch recht zudringlicher Bohemien. Er erinnert uns indirekt daran, dass Dumas seinem Roman eine Episode aus dem eigenen Liebesleben zugrunde gelegt hat. Dumas ist Duval. Zeitgleich bemüht sich auch ein schüchterner Jüngling (Alexander Absenger) als "der junge Armand Duval" um die Schöne. Man ist verwirrt ob so viel unnötiger Promiskuität!

Cervik zerreißt sich förmlich - und tut dies nicht etwa aus Gründen der Flatterhaftigkeit. Während sie auf bemerkenswerte Weise um erfühlte Töne ringt, herrscht rundherum Kunstgewerbemesse. Eine Meute befrackter Kavaliere drängt sich herzu und leckt das mondäne Opfer ab wie ein Wurf Welpen. Ein impotenter, sonst vermögender Gönner (André Pohl) macht der Femme fatale als Masochist den Hof. Polsterflaum taucht die Bühne in Schnee, ein schräg gehängter Spiegel (Ausstattung: Herbert Schäfer, Vasilis Triantafillopoulos) sorgt für den nötigen Überblick.

Leider ist die Produktion nicht zum Sterben schön, sondern erschütternd langweilig. Sieht man von einem genial verkauzten Auftritt Udo Samels als Papa Duval ab. (Ronald Pohl, DER STANDARD, 20.12.2014)