Kiel - Die Ozeanzirkulation im Atlantik, die einen entscheidenden Einfluss auf das Erdklima hat, ist stabiler als bislang angenommen. Das berichten Forscher aus Deutschland und der Schweiz im Fachblatt "Nature". Die Studie lässt Schlüsse auf die Vergangenheit der nordatlantischen Tiefenwasserzirkulation der vergangenen 140.000 Jahre zu und weist darauf hin, dass die Strömung – entgegen der Erwartungen – relativ stabil war. Nur während kurzer Extremphasen der letzten Eiszeiten sei sie schwächer als heute gewesen.

Die nordatlantische Ozeanzirkulation transportiert warmes Wasser in den Norden und sorgt so für ein verhältnismäßig mildes Klima in Europa. Der Zusammenbruch dieser Strömung, die auch den bekannten Golfstrom mit einschließt, hätte einen drastischen Temperaturrückgang auf dem Kontinent zur Folge. Manche Klimaforscher vermuten, dass ein solches Szenario eintreten könnte, wenn im Zuge des Klimawandels die Eispanzer Grönlands schmelzen. Dabei würde vermehrt Süßwasser in den Atlantik gelangen und die Zirkulation stören.

Keine Entwarnung

Gemäß der neuen Studie schwächte sich der Wärmetransport während der Eiszeiten nur in jenen Phasen ab, in welchen sich bereits sehr große Eisschilde gebildet hatten, die weit in den Süden reichten. Während der relativ kurzen Schmelzphasen der letzten Eiszeit ergossen sich große Mengen Süßwasser in den Nordatlantik. Da diese eiszeitlichen Eisschilde nicht mehr existieren, sei die Ozeanzirkulation heute wohl stabiler als bisher angenommen, sagt der Berner Physiker Jörg Lippold. "Es ist unwahrscheinlich, dass sie im Zuge des Klimawandels durch verstärktes Abtauen von Grönlandeis zusammenbricht und es zum Temperatursturz kommt."

Erstautorin Evelyn Böhm von der Universität Heidelberg unterstreicht indes, die Befunde seien kein Grund zur Entwarnung: "Rückschlüsse auf die möglichen Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels lassen sich aus den aktuellen Ergebnissen nur begrenzt ziehen". Denn die heutigen CO2-Emissionen würden einen bis dato nie dagewesenen Eingriff in das Klimasystem bedeuten.

Die Studie beruht auf der Analyse eines in 4.500 Metern Meerestiefe vor den Bermudas gebohrten Sedimentkerns. Anhand von Messungen verschiedener Isotope gelang es erstmals, die Stärke der atlantischen Zirkulation während der vergangenen 140.000 Jahre zu rekonstruieren. "Diese befindet sich entweder in einem abgeschwächten 'kalten' Modus, in dem warmes Oberflächenwasser nicht so weit in den nördlichen Atlantik vorstößt oder in einem intensiven 'warmen' Modus wie heute, bei dem warmes Wasser weit in den Norden gelangt", sagt Marcus Gutjahr vom GEOMAR in Kiel. "Entgegen bisheriger Annahmen konnten wir zeigen, dass sich der Ozean während der letzten Eiszeit meist im 'Warm-Modus' befand. (red, derStandard.at, 22.12.2014)