Bild nicht mehr verfügbar.

Joe Cocker bei einem Auftritt in Warschau, Mai 2013. Der Sänger starb am Montag in Crawford, Colorado, an Lungenkrebs.

Foto: APA/EPA/JACEK TURCZYK

Bild nicht mehr verfügbar.

Der junge Joe Cocker im Jahr 1970.

Foto: AP/Linda Wolf

Bild nicht mehr verfügbar.

Seine typische Pose.

Foto: APA/EPA/FABRICE COFFRINI

Denver/London – Joe Cocker ist zum Erfolg buchstäblich gerudert. Oder gepaddelt. Wie auch immer man diese Armbewegungen nennt, die seine Bühnenperson so eigen erscheinen ließen. Nennen wir es British Groove. Aber mit einem seltsamen Bühnenhabitus allein macht man keine Weltkarriere. Der früh schon verwittert anmutenden Physis Cockers wohnte eine Stimme inne, die ihn neben Van Morrison und Eric Burdon zu den erfolgreichsten britischen Soul- und Rocksängern machte. Nun ist diese Stimme verstummt, Joe Cocker erlag am Dienstagabend einer Lungenkrebserkrankung.

Hätte jemand in den frühen 1970ern darauf gewettet, dass John Robert Cocker ein hohes Alter erreichen würde, man hätte den Arzt gerufen. Denn der am 20. Mai 1944 in Sheffield geborene Musiker galt als einer der prototypischen wilden Hunde des Popzirkus.

JoeCockerVEVO

In seiner musikalischen Sozialisation nahm Ray Charles eine zentrale Rolle ein, Elvis Presley, der Country-Sänger Eddy Arnold, die Skiffle Groups seiner Heimat und später das Blues-Revival Anfang der 1960er-Jahre in Großbritannien, das John Lee Hooker, Muddy Waters, Howlin‘ Wolf und anderen späte zweite Karrieren bescherte.

Zu der Zeit hatte sich Cocker über Pubs und Clubs bereits soweit hochgespielt, dass er einen Plattenvertrag von Decca ergatterte. Er veröffentlichte dort eine Beatles-Coverversion, die allerdings floppte. 1966 gründete er die Grease Band, und es war eine andere Beatles-Coverversion, die ihm zum Durchbruch verhalf: Seine abgebremste, im Schlamm des Blues um Luft kämpfende Version von "With A Little Help From My Friends".

Auf die Bühne gekotzt

Damit enterte er nicht nur die US-Charts, er bezirzte damit hunderttausende Hippies beim Woodstock-Festival. Es folgten Hits in den USA wie "Cry Me A River" oder "The Letter", dazu tourte Cocker um die Welt.

In den frühen 1970ern-Jahren trank er heftig und war dem Heroin verfallen, doch der Rock’n’Roll-Zirkus lief für den nun meist in Los Angeles lebenden Sänger trotz Depressionen und Süchten hurtig weiter. Da konnte es schon passieren, dass er auf der Bühne kotzte.

JoeCockerVEVO

1974 hatte er mit dem Schmalztopf "You Are So Beautiful" einen weiteren Riesenhit in den USA, zwei Jahre später kam es zu einem legendär gewordenen TV-Auftritt Cockers in der Saturday Night-Live-Show. Während er "Feelin‘ Alright" sang, kam der Komiker John Belushi zu ihm auf die Bühne, der unter anderem mit einer Cocker-Parodie berühmt geworden war.

Späte Mainstreamerfolge

Um diese Zeit lernte er den Manager Michael Lang kennen. Cocker war damals stark verschuldet, Lang bot an, ihm zu helfen. Einzige Bedingung: Cocker müsse auf Entzug und trocken bleiben. Aller Skepsis zum Trotz gelang das, und Cocker entkam der Abwärtsspirale, um in den 1980ern enorme Mainstreamerfolge zu feiern. Etwa mit dem Soundtrack-Beitrag "Up Where We Belong", der Randy Newman-Coverversion "You Can Leave Your Hat On", "Unchain My Heart" oder "One Night Of Sin".

Er wurde eine Art männliche Tina Turner. Wie bei der Soul-Sängerin warf die frühe Karriere die interessanteren Ergebnisse ab, wie Turner fuhr er mit vergleichsweise platten Mainstream-Hits spät, aber doch, eine satte Ernte ein.

JoeCockerVEVO

22 Studioalben

Wobei seine im Alter mit noch mehr Autorität versehene Stimme auf Alben wie "Respect Yourself", "Hymn for my Soul" oder dem finalen "Fire it Up" immer wieder für Momente sorgte, die einem kurz den Atem nehmen konnten.

22 Studioalben hat Joe Cocker veröffentlicht, dazu knapp zehn Livealben. Seit 27 Jahren war er mit seiner zweiten Frau Pam verheiratet, mit der er in Colorado lebte – auf der Mad Dog Ranch. Nun ist Joe Cocker gestorben, mit für einen verrückten Hund unglaublichen 70 Jahren. (Karl Fluch, DerStandard.at, 23.12.2014)