Die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGIÖ) hat ein Problem, ein gewaltiges. Seit Monaten ranken und zanken sich die Vertreter der Muslime mit Politikern und Aktivisten der eigenen Community. Zuletzt wurde offen von mehreren Kreisen inner- und außerhalb der IGGIÖ der Rücktritt der obersten Vertreter gefordert. Grund dafür ist der umstrittene Islamgesetz-Entwurf, der die Wogen hochgehen lässt. Viele Fragezeichen und eine fehlende Transparenz erschweren eine ausgewogene und emotionsfreie Debatte. Die IGGIÖ geht dabei sehr stümperhaft vor, verfängt sich in Widersprüchen und scheint mit einem internen Konflikt zu kämpfen. Obwohl IGGIÖ-Präsident Fuat Sanac stets leugnete vom finalen Entwurf gewusst zu haben, bestätigte Integrationsminister Sebastian Kurz mehrmals, dass dieser über alle Inhalte informiert war.

Für die mehr als 500.000 Muslime in Österreich gleicht die Debatte einer billig produzierten Schmierenkomödie. Eine derart wichtige Einrichtung, die europaweit eine Vorreiterrolle innehat, ist mehr damit beschäftigt Probleme zu schaffen als zu lösen. Und wenn es nur das Islamgesetz wäre, könnte ein muslimischer Österreicher noch einen Funken Hoffnung in sich tragen.

Dabei sollte der Blick aber nicht nur auf die ehrenamtliche Vertretung schielen. Denn das Problem der IGGIÖ ist viel tiefgehender. Traurig ist etwa, dass der Staat nicht bereit ist, die Missstände in der Islamischen Glaubensgemeinschaft aufzuarbeiten. Wenn etwa Fachinspektoren an Schulen ohne eine entsprechende Ausbildung ihrer pädagogischen Verantwortung nachgehen. Etwa wie einer der Fachinspektoren, der außer einem Weiterbildungsmaster in Migrationsmanagement kein fundiertes pädagogisches Grundstudium aufweist. Wie kann es sein, dass derart wichtige Positionen im österreichischen Bildungssystem fahrlässig besetzt werden? Gerade der Sektor, der den Grundstein für eine gelungene Integration legt und einen Start in ein erfolgreiches Leben ermöglicht. Wie kann der Staat dies einerseits kritisieren, aber darauf vergessen, seine eigenen Kontrollorgane einzusetzen? Oder etwa eine der zentralen Gesichter der IGGIÖ. Es ist zwar keine Seltenheit, dass manche Personen in der Glaubensgemeinschaft mehrere Fachreferate zugleich leiten. Dass diese Personen aber auch vom Stadtschulrat zu Fachinspektorinnen ernannt werden, ist mangels der fachlichen Kompetenz unerträglich. Diplom-Theaterwissenschaftlerin zu sein kann ausreichen, um eine ordentliche Medienarbeit zu leisten. Ob dies aber auch genug Kompetenz für eine Führung einer Bildungseinrichtung im öffentlichen Schulbereich ist, bleibt fragwürdig.

An das Proporzwesen hat sich die IGGiÖ besonders gut angepasst. Aus dem aktuellen Umkreis der IGGIÖ sind immer wieder abenteuerliche Geschichten zu hören. Sei es das Entsenden von Nicht-Entscheidungsträgern zu Gesprächsrunden mit dem Kultusministerium, eine eigenwillige Einladungspolitik zu Diskussionen mit dem Integrationsminister oder die Einsetzung von vermeintlichem Fachpersonal an Schulen der der eigenen Bildungseinrichtung. Und die Liste ist noch lange nicht am Ende. Bedenklich stimmt, dass ohne den Aufschrei der muslimischen Zivilgesellschaft die IGGIÖ womöglich dem Islamgesetz zugestimmt hätte.

Wenn die Machtstrukturen der IGGIÖ so verfahren sind, ist eine sofortige Neuwahl notwendig. Der Dialog der österreichischen Muslime muss auf Augenhöhe mit der Republik erfolgen. Weder Arroganz noch Unterwürfigkeit sind der richtige Weg. Solange Personen ohne fachliche Qualifikation die IGGIÖ fehlleiten, bleibt der Horizont finster. Und das haben sich weder die Mehrheitsgesellschaft noch die muslimischen Gläubigen der Alpenrepublik verdient. (Karim Saad, derStandard.at, 26.12.2014)