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Wortreich muss sich die vor wenigen Wochen nur knapp wiedergewählte Dilma Rousseff gegen den Verdacht wehren, sie habe von Korruptionsgeschäften der Arbeiterpartei profitiert.

Foto: Reuters / Joedson Alves

Vor vier Jahren war immerhin noch Aufbruchsstimmung zu spüren, als Dilma Rousseff ihren Amtseid als Staatspräsidentin ablegte und winkend in einem offenen Rolls-Royce durch die Straßen von Brasília fuhr. Die Wirtschaft boomte, Millionen Brasilianer konnten aus der Armut in die Mittelklasse aufsteigen. Optimismus war allerorten zu spüren.

Doch die Stimmung hat sich gewandelt. Rousseff steht zu Beginn ihrer zweiten Amtszeit vor einem Berg von Problemen. Wie Blei lastet die Korruptionsaffäre beim halbstaatlichen Ölkonzern Petrobras auf der brasilianischen Politik. Die Wirtschaft steckt in einer Rezession fest, und selbst die treuen Anhänger der regierenden linksgerichteten Arbeiterpartei PT sowie Gewerkschaften und soziale Bewegungen wenden sich enttäuscht ab.

Ein Riss geht durch die Gesellschaft. Nach ihrem hauchdünnen Wahlsieg vor gut zwei Monaten musste die Präsidentin bei der Regierungsbildung harte Zugeständnisse an die Koalitionspartner machen. So holte sie Widersacher wie den ehemaligen Bürgermeister von São Paulo, Gilberto Kassab - damals noch von der Opposition -, auf die Regierungsbank. Mit der Nominierung von Katia Abreu, einer der größten Landbesitzerinnen in Brasilien und Feindbild aller Umweltschützer, versuchte sie, die mächtige Agrarlobby zu beruhigen.

Neoliberaler Politschwenk

Auch der neue Finanzminister, Joaquim Levy, Manager bei der zweitgrößten Privatbank Bradesco, steht für diesen neoliberalen Politikschwenk unter Rousseff. Er kündigte bereits ein Spar- und Reformpaket für mehr Haushaltsdisziplin an, das auch Kürzungen bei Sozialausgaben umfasst. Mit einem Finanzminister aus der Privatwirtschaft sollen vor allem die Märkte beruhigt und wieder Investoren angelockt werden.

Kritik und Enttäuschung über die Personalia machten sich vor allem beim linken Flügel der regierenden PT breit. "Die Präsidentin versucht, Regierung und Opposition zugleich zu sein. Das ist ihr Dilemma", konstatiert der Journalist Elio Gaspari.

Aber vor allem die Geldwäsche- und Korruptionsaffäre beim Ölkonzern Petrobras, in die zahlreiche Koalitionspolitiker verwickelt sind, lastet auf der Präsidentin. Selbst Rousseff gab zu, dass der SkandalBrasilien für immer verändern wird, und versprach ein Ende der Straflosigkeit. Bisher galt die 67-Jährige zwar als schroff im Umgang, aber auch als durchsetzungsstark und nicht korrumpierbar. Dieses Image hat jetzt Kratzer bekommen.

Vom Hauptverdächtigen belastet

Durch überhöhte Vertragsabschlüsse soll Geld in Millionenhöhe in die Wahlkampfkassen der PT und ihrer Koalitionäre geflossen sein. Dutzende Top-Manager wurden inzwischen festgenommen. Rousseff hat bisher stets geleugnet, von den Geldschiebereien gewusst zu haben. Doch der Hauptverdächtige, Ex-Petrobras-Manager Paulo Roberto Costa, belastete auch sie.

Der Skandal trieb Oppositionsanhänger zu Tausenden auf die Straße. In wütenden Protesten forderten sie ein Amtsenthebungsverfahren von Rousseff.

Auch im Parlament wird Rousseff ein starker Wind entgegenwehen. Die Opposition, angeführt vom knapp unterlegenen Präsidentschaftskandidaten Aécio Neves, hat Sitze dazugewonnen und demonstrierte bereits ihre Macht.

Rousseff muss sich für ihre Projekte immer wieder neue Mehrheiten organisieren. Ihr größter Koalitionspartner PMDB (Partido do Movimento Democrático Brasileiro) gilt dabei als rebellisch und wenig folgsam. (Susann Kreutzmann aus São Paulo, DER STANDARD, 2.1.2015)