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Auf, auf, ihr Frauen in die Chefbüros? Nicht um jeden Preis, sagen Frauen - sie wollen nicht ins Klischee des stets verfügbaren Siegertypen gequetscht sein. Für andere Rollen fehlt intern die Anerkennung.

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Viele junge Frauen starten mit Ehrgeiz und hohen Erwartungen ins Berufsleben. Diese Zuversicht aber verflüchtigt sich nach nur wenigen Jahren. Das ist ein Ergebnis der Studie "Everyday Moments of Truth" der internationalen Managementberatung Bain & Company, für die in den USA 1000 Männer und Frauen verschiedener Altersgruppen und Hierarchieebenen befragt wurden.

Während 43 Prozent der Berufsanfängerinnen den Aufstieg ins Topmanagement planen, haben fünf Jahre später nur noch 16 Prozent diesen Ehrgeiz. Dagegen starten 34 Prozent der Männer mit dem Selbstvertrauen eines zukünftigen Topmanagers ins Berufsleben – und sind nach mehreren Jahren noch genauso zuversichtlich, bis in den Vorstand zu kommen. Leitende Angestellte und die obersten Führungsgremien sind in der Pflicht, so der Kommentar der Studienautoren, wirkliche Chancengleichheit zu schaffen.

Kinder sind keine Bremse

Die weit verbreitete Meinung, dass Eheschließung und Familiengründung Frauen daran hindern, Karriere zu machen, ist falsch. Die aktuelle Bain-Studie zeigt, dass weder Ehe noch Elternschaft Einfluss darauf haben, ob eine Frau grundsätzlich ehrgeizig ist und im Beruf vorankommen möchte. Vielmehr fehlt es den weiblichen Beschäftigten in der mittleren Phase ihrer Karriere an ehrlicher Anerkennung und Unterstützung durch das Management – genau in einer Zeit, in der sie beginnen, die Karriereleiter zu erklimmen und ihr Selbstvertrauen entweder wächst oder aber untergraben wird.

Top-down-Ansatz ist nötig

Gängige Auffassung war bisher, dass die Bemühungen um Chancengleichheit bei jeder Mitarbeiterin selbst anfangen und im Topmanagement verankert sein müssen. "Unsere Analysen zeigen jedoch, dass der Fokus vor allem auf den wichtigen Jahren in der mittleren Karrierephase liegen muss", erklärt Henrik Naujoks, Partner bei Bain & Company und verantwortlich für Personalthemen. "Da entstehen Führungspersönlichkeiten und leitende Angestellte sowie direkte Vorgesetzte müssten spätestens in dieser Phase Frauenkarrieren formen und Mitarbeiterinnen helfen, Selbstvertrauen als Managerinnen zu entwickeln. Genau das aber tun sie meist nicht."

Das bleibt nicht ohne Folgen. So nimmt das Streben nach einer Position im Topmanagement bei Frauen im Verlauf ihrer Karriere um mehr als 60 Prozent ab. Wollen unter den Berufseinsteigerinnen 43 Prozent eines Tages eine hochrangige Führungsposition bekleiden, sind es nach fünf Jahren Berufserfahrung nur noch 16 Prozent. Bei Männern bleibt dieser Wert dagegen stabil bei 34 Prozent.

Männer sehen sich in der Vorstandsetage

Das Selbstvertrauen der Frauen zeigt dieselbe absteigende Kurve. Unter den Berufseinsteigerinnen glauben 27 Prozent, dass sie die höchsten Hierarchiestufen im Unternehmen erreichen können. In der mittleren Karrierephase sinkt dieser Wert um nahezu die Hälfte, während er bei Männern stabil bleibt. Auf den oberen Führungsebenen angekommen sind Männer wie Frauen zuversichtlich, es auch bis ins Topmanagement zu schaffen. Bei den Männern ist diese Haltung allerdings deutlich ausgeprägter. Jeder zweite Mann sieht sich die Vorstandsetage erreichen, während dies bei Frauen nur zu einem Drittel der Fall ist.

Drei Schlüsselfaktoren

Die Bain-Studie nennt drei Schlüsselfaktoren, die Frauen in der mittleren Karrierephase in ihrem Aufstiegswillen und ihren Karrieremöglichkeiten bremsen. Erstens erkennen sie, dass sie nicht in das vorherrschende stereotype Bild des idealen Angestellten passen, sprich: des stets verfügbaren Siegertypen auf der Überholspur. Zweitens fehlt ihnen die Unterstützung ihrer direkten Vorgesetzten. Und drittens gibt es nach wie vor zu wenig weibliche Rollenvorbilder im Topmanagement.

Führungskräfte stehen in der Pflicht

Dies nimmt leitende Angestellte ebenso in die Pflicht wie die oberste Ebene der Unternehmensführung. "Insbesondere der direkte Vorgesetzte spielt eine entscheidende Rolle bei der Mitarbeitermotivation", so Mareike Steingröver, Partnerin bei Bain & Company und verantwortlich für die Women-at-Bain-Initiative im deutschsprachigen Raum. Das Management hat die Aufgabe, ein diversifiziertes und realistisches Bild über die im Unternehmen gewünschte Mitarbeiterschaft zu entwickeln. Auch muss es kommunizieren, welche Art Mitarbeiter das Unternehmen will und braucht. Vorgesetzte sind darüber hinaus gefordert, deutlich mehr Zeit für Coaching und Mentoring ihrer einzelnen Mitarbeiterinnen aufzuwenden und ihre Definition eines Rollenvorbilds zu erweitern.

Die Zusammenfassung der Studienautoren: "Die Unternehmensführung muss klar formulieren, welche Erwartungen sie an die Chancengleichheit stellt, und dies in der gesamten Organisation kommunizieren. Leitende Angestellte sind so zu befähigen, dass sie diese Ziele erfüllen und für die Personalentwicklung in ihrem Bereich die Verantwortung übernehmen. Die Mechanismen und Prozesse im Recruiting und im Talentmanagement gilt es entsprechend anzupassen. Zudem müssen Programme entwickelt werden, mit denen das obere Management speziell weibliche heranwachsende Talente unterstützen und fördern kann. Und letztlich ist es unerlässlich, mittels ausgewählter Kennzahlen nachzuhalten, ob die gesteckten Ziele auch erreicht werden." (kbau, derStandard.at, 09.01.2015)