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Der Nordkoreaner Shin Dong-hyuk während eines Interviews im Dezember 2013. Der Ruhm seines Buchs "Flucht aus Camp 14" war mit ein Grund für UN-Untersuchungen gegen Nordkorea.

Foto: REUTERS/Gary Cameron/Files

Seoul/Wien - Er galt als der einzige Mensch, dem es jemals gelungen war, aus dem Hochsicherheitscamp Nummer 14 in Nordkorea zu entkommen. Shin Dong-hyuk erzählte die Geschichte seiner Gefangenschaft, Folter und Flucht einem Journalisten, der "Flucht aus Lager 14", das in 27 Sprachen übersetzt wurde, geschrieben hat. Nun hat er zugegeben, dass er Teile seiner Erzählungen abgeändert hatte.

Der nun 32-jährige Dong-hyuk hatte angegeben, dass er in dem berüchtigten Straflager geboren wurde und während seines Aufenthalts dort mitansehen musste, wie seine Mutter und sein Bruder getötet wurden. Als Jugendlicher soll er dann mit Feuer gefoltert worden sein, weil er einen Fluchtversuch unternommen habe. Gefoltert soll er aber bereits Jahre vor der Flucht worden sein. Außerdem habe er laut Berichten die meiste Zeit in dem weniger brutalen Lager Nummer 18 verbracht. Ehemalige Gefangene konnten sich auch nicht vorstellen, dass er aus dem berüchtigten Lager geflohen war, indem er über die Leiche eines toten Mithäftlings am Elektrozaun gekrochen war.

Dong-hyuk soll seine Geschichte teilweise revidiert haben, nachdem sein totgeglaubter Vater im Oktober in einem Propagandavideo des Regimes vorgekommen war. Darin soll er seinem Sohn ausgerichtet haben, "zu Sinnen zu kommen und in die Arme der Partei zurückzukehren". Sein Vater habe außerdem auf Unstimmigkeiten in der Geschichte seines Sohnes hingewiesen.

UN-Bericht nicht in Gefahr

Die Veröffentlichung des Buchs war mit ein Grund, warum die Vereinten Nationen eine noch nie dagewesene Untersuchung zu den Lagern im abgeschotteten Nordkorea durchgeführt hatten. Überlebende der Gefangenenlager und Menschenrechtsaktivisten aus Südkorea fürchten nun, dass ein erhoffter Prozess vor dem Internationalen Strafgerichtshof scheitert. Die Glaubwürdigkeit von Dong-hyuk sei infrage gestellt worden, und das würde China und anderen Unterstützern des Regimes in Pjöngjang helfen.

Der Leiter der UN-Untersuchungen, Michael Kirby, sieht in dem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters aber keine Auswirkungen auf den Bericht: "Es geht um Teile einer Aussage eines Zeugen, die auf einer der 350 Seiten zitiert wird, die Aussagen von hunderten Personen enthalten. Also bleiben wir verhältnismäßig." Dong-hyuk sieht er nicht als Betrüger, da seine Wunden die beschriebene Art der Folter belegen würden. Es ginge seiner Meinung nach nur um die Frage, ob er in dem grausamsten Straflager oder einfach nur in einem grausamen Lager gewesen sei.

Die Unstimmigkeiten in seiner Geschichte erzählte der junge Nordkoreaner zuerst dem Autor seines Buchs und veröffentlichte auf seiner Facebook-Seite eine Stellungnahme. Er entschuldigte sich bei den Menschenrechtsaktivisten und forderte sie auf weiterzukämpfen. Er selbst werde seine Kampagne wahrscheinlich nicht mehr aufrechterhalten. Im Gespräch mit der "New York Times" sagte Dong-hyuk, dass er seine Geschichte abgeändert habe, weil er unter "großem mentalem Stress" gestanden habe. Er habe nicht jedes Detail seiner Folter noch einmal durchleben wollen. Die Frage, ob das Buch nun aus den Geschäften verschwindet, kommentierte der Verlag in der "New York Times": "Wir arbeiten mit dem Autor an einem genauen Verständnis der Fakten." (bbl, DER STANDARD, 20.1.2015)