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Schladming im Dezember 2014: Trotz künstlicher Beschneiung präsentieren sich die unteren Hänge in sattem Grün - ein Anblick, der künftig häufiger werden wird. Forscher der Uni Innsbruck erstellen erstmals eine Schneekarte für ganz Österreich - mit den Daten der letzten 120 Jahre. Darin zeigt sich ab 1980 ein deutliches Abknicken des Schneeaufkommens. Die Forscher gehen davon aus, dass die Winter bis 2050 um zwei bis drei Wochen pro Jahr zurückgehen werden - mit Auswirkungen für Tourismus und Wasserkraft.

Foto: Martin Huber / picturedesk.com

Innsbruck - Der warme Dezember hat dem Jahr den Rest gegeben: 2014 ging in Österreich als das wärmste in die Geschichte seit Beginn der regelmäßigen Aufzeichnungen ein. Zwar macht ein einzelnes Jahr noch keinen Klimawandel, doch die Auswirkungen der globalen Erwärmung zeigen sich in vielfältiger Weise. Ulrich Strasser, Professor für Mensch-Umwelt-Systemforschung an der Uni Innsbruck, studiert den Wandel anhand eines Forschungsobjekts, das bisher ob seiner starken jährlichen Schwankungen noch wenig dafür herangezogen wurde: Schnee. Im Projekt "Snow in Austria during the instrumental period" (Snowpat) wird die Entwicklung der Schneedecke in Österreich in den letzten 120 Jahren nachgezeichnet.

Zum ersten Mal werden dabei nahezu alle zur Verfügung stehenden meteorologischen Messdaten in Österreich in einem Modell der Schneedeckendynamik verarbeitet. Für die Aufbereitung der Daten ist das Team von Wolfgang Schöner zuständig. Er ist Professor für Physische Geografie an der Uni Graz und Koordinator von Snowpat. Großteils stammen die Daten von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG), einer nachgeordneten Dienststelle des Wissenschaftsministeriums, an der Schöner zuvor tätig war. Da im Zweiten Weltkrieg viele Daten der ZAMG zerstört wurden, greifen die Wissenschafter für die Jahre 1895 bis 1945 auf Messwerte des Hydrografischen Zentralbüros zurück.

Flächendeckende Schneekarten

Da sich aus den Messungen nur punktuelle Trends ableiten lassen, verwendet Strasser mit seinem Team an der Uni Innsbruck ein kontinuierliches und flächendeckend rechnendes Modell für die saisonale Entwicklung der Schneedecke in ganz Österreich.

Dieses Modell namens Amundsen ermöglicht es erstmals, die österreichische Schneegeschichte in Quadratkilometerauflösung nachzuzeichnen. Dazu wird Amundsen laufend angepasst: Für ältere, weniger genaue Daten lässt sich die Schneedecke täglich berechnen, in der jüngeren Vergangenheit stündlich - je nach Verfügbarkeit der Daten. "Womit wir das System füttern, sind die Messungen der Klimastationen, heraus kommen Zeitreihen von Karten der Schneebedeckung für Österreich", sagt Strasser.

Großglockners Schatten

Die Schneebedeckung Österreichs zu modellieren ist keine einfache Aufgabe, hängt sie doch neben dem Schneefall von einer Vielzahl anderer Einflüsse ab, wie dem Gelände, der Temperatur und Feuchte, der Sonneneinstrahlung und dem Wind. Die Modellierung der Schneedecke ist gerade in Hochgebirgsregionen eine besondere Herausforderung. "Orte mit fünf Metern Schnee sind hier oft eng benachbart mit Orten, wo es überhaupt keinen Schnee gibt."

Das liegt am "gigantischen Hochgebirgsrelief" der Alpen, in denen die Prozesse, die zur Schneedecke führen, besonders komplex sind. "Man kann die Werte der Stationen nicht so einfach interpolieren, sondern muss viel dazu wissen und mitrechnen. Zum Beispiel: Wohin fällt wann der Schatten vom Großglocker? - Das sind Dinge, die wir kontinuierlich berücksichtigen müssen", sagt Strasser. Ein derart komplexes Modell wurde bisher noch nie für ganz Österreich erstellt.

Trotz der Komplexität und der großen natürlichen Unterschiede zwischen schneereichen und -armen Jahren lässt sich aus dem Modell ein eindeutiger Trend ablesen: Die Winter werden kürzer, und der Schnee wird weniger.

Eindeutige Erwärmung

Die Forscher haben herausgefunden, dass von 1950 bis 1980 Ausreißer nach oben mit über 140 Schneetagen pro Jahr im Mittel für ganz Österreich noch öfters auftreten. Ein Schneedeckentag ist dabei einer, an dem mindestens ein Zentimeter Schnee liegt. Seit 1980 verzeichnen die Schneeforscher häufiger Ausschläge nach unten. "Um 1980 ist zu erkennen, dass der Trend der Schneedeckentage deutlich abknickt - das deckt sich mit vielen anderen Studien für den Alpenraum, in denen ab 1980 eine deutlich verstärkte Erwärmung verzeichnet wurde", sagt Strasser. Es ist ihm wichtig, den Klimawandelskeptikern die Snowpat-Daten als klares Indiz der Klimaerwärmung entgegenzuhalten. "Da muss man schon bewusst daneben schauen, wenn man die enorme Erwärmung der letzten Dekaden nicht wahrhaben will", sagt er, "es gibt ein eindeutiges Signal mit klarem Trend."

In einem anderen Projekt hat das Team von Strasser berechnet, dass selbst für eine gemäßigte Prognose der weiteren Erwärmung bis 2050 die Winter im Schnitt zwei bis drei Wochen kürzer sein werden. Umgelegt auf die Schneedecke heißt das, dass sich tendenziell erst später eine Schneedecke bildet und diese im Frühjahr früher wieder wegschmelzen wird. Besonders betroffen sind mittlere Höhenstufen.

Auswirkungen auf Tourismus

Diese Entwicklung ist nicht nur für die Schneeforschung relevant, sondern vor allem auch den Tourismus, die Energiewirtschaft und den Hochwasserschutz. Im Tourismus behilft man sich schon länger mit Beschneiungsanlagen. "Das geht aber nur so lange gut, solange es kalt genug ist - eine Klimawandelanpassung ist das nicht", sagt Strasser. Wie man 2014 gesehen hat, kann es mitunter bis in den Dezember selbst für Kunstschnee zu warm sein.

Sowohl beim vom Klima- und Energiefonds geförderten Snowpat wie auch bei anderen Forschungsprojekten ist Strasser in Austausch mit Akteuren, die von den Auswirkungen der Klimaveränderung besonders betroffen sind. Er versucht auf Basis seiner Forschungen Empfehlungen zu formulieren - eine Aufgabe, in die er erst "hineinwachsen" musste, wie er sagt. "Ich bin zwar Naturwissenschafter, aber meine Forschung berührt zunehmend gesellschaftliche Fragen." (Tanja Traxler, DER STANDARD, 21.1.2015)