Marcel Hirscher hatte keine Zeit für Sightseeing in Zagreb. Ankunft am späten Nachmittag, Interviews, Hotelzimmer beziehen, Startnummernauslosung. Am nächsten Tag zeitig auf den "Bärenberg" Medvednica: Einfahren, rennfahren, Siegerehrung, Pressekonferenz, Abreise. Hirscher war nicht auf Urlaub da. Und nicht zum ersten Mal. Vermutlich wird er wiederkommen. Er wird es gerne tun - wegen der guten Erinnerung. Zum dritten Mal gewann der Salzburger Skifahrer zu Jahresbeginn den Weltcup-Slalom in Zagreb.

Am Sljeme kann man wunderbar auf Zagreb blicken und einmal jährlich den besten Slalomskifahrern zuschauen.
Foto: Zagreb Tourismus

Als Großstadt ist Zagreb kein typischer Weltcup-Ort. Oder umgekehrt gesagt: Der Bärenberg mit dem höchsten Punkt Sljeme (1.032 m) ist ein untypisches Skigebiet: Am Fuße der vier Pistenkilometer liegt eine Hauptstadt. Und Zagreb hat Vedran Pavlek. Der Direktor des kroatischen Skiteams hat die "Snow Queen Trophy" erfunden. 2005 stieg die Premiere mit einem Damenrennen.

Ski-Boom ist abgeflaut

Und Kroatien hat Janica und Ivica Kostelić. Das Geschwisterpaar löste mit seinen Erfolgen einen Ski-Boom im Land aus. Janica ist nicht mehr aktiv. Ivica kommt nicht mehr an frühere Erfolge heran. Der Boom ist abgeflaut. Trotzdem kamen heuer zu den beiden Slaloms 23.000 Zuschauer. Eine Zahl, von der andere Veranstalter nur träumen können.

Foto: Zagreb Tourismus

Zwischen Damen- und Herrenrennen ist ein Tag Pause. Der lässt sich gut nützen. Zagreb ist ja kein kleiner Wintersportort. Der Mittelpunkt der 800.000-Einwohner-Stadt ist der Ban-Josip-Jelačić-Platz, benannt nach Josip Graf Jelačić Bužimski (1801-1859). Während der Revolution in Ungarn gewann er als Heerführer eine Reihe von Schlachten gegen Aufständische. Der Platz ist geschäftig, ein beliebter Treffpunkt.

Schanigärten im Winter

Überhaupt: Man zeigt sich gern - auch im Winter. "Sehen und gesehen werden" gilt vor allem in der Bogovićeva-Straße und der Tkalčićeva-Straße, wo sich Bars, Cafés und Restaurants aneinanderreihen. In Zagreb ist das ganze Jahr lang Schanigartensaison - den Heizpilzen sei Dank.

Foto: Riezinger

Eingekauft wird in der Ilica-Straße. Und auf dem Dolac, dem berühmtesten Markt der Stadt. Bauern verkaufen hier täglich und unter freiem Himmel Obst, Gemüse, Fisch und Fleisch. Ein paar Meter weiter thront das Wahrzeichen der Stadt: die Kathedrale der Himmelfahrt der Seligen Jungfrau Maria. Mit dem Bau der Kirche im gotischen Stil wurde im 11. Jahrhundert begonnen. 88 Prozent der kroatischen Bevölkerung sind katholisch. Ein Stück weiter beten Frauen in der Muttergotteskapelle im Gewölbe des Steinernen Tors. Zur Pilgerstätte wurde sie, weil die Ikone in der Kapelle bei einem zerstörerischen Brand im Jahr 1731 verschont blieb.

Zahlreiche Museen

Zagreb weist eine hohe Dichte an Museen auf. Viel berichtet wurde über das 2010 eröffnete Museum der zerbrochenen Beziehungen. Das Interesse für Theater wird Kindern schon in der Schule mitgegeben. Opern-, Theater- und Ballettaufführungen werden im Nationaltheater am Marschall-Tito-Platz gezeigt. Ein Name, der aufregt. Protestiert wird sowohl für als auch gegen die Benennung nach dem ehemaligen diktatorischen Staatschef Jugoslawiens.

Ein paar Meter weiter thront das Wahrzeichen der Stadt: die Kathedrale der Himmelfahrt der Seligen Jungfrau Maria.
Foto: Riezingern

Umstritten ist auch die neue Musikakademie auf dem Tito-Platz. Der moderne Bau mit grellbunter Fassade wirkt wie ein Fremdkörper. Noch ist die Akademie nicht in Betrieb. Aber sie steht. Genauso wie das Einkaufszentrum in der Altstadt. Auch dagegen wurde protestiert. Erfolglos. Die Erklärung von Stadtführerin Jelena: "Money speaks." Apropos Geld: Die Preise in Zagreb erscheinen selbst Österreichern nicht gerade günstig. Wie also finanzieren sich die wesentlich weniger verdienenden Kroaten ihr Leben? Jelena hat keine Erklärung.

Lieber noch einen Blick über die Altstadt werfen: Das geht wunderbar von der Anhöhe hinter der St.-Katharinen-Kirche. Erreichbar zu Fuß oder per Drahtseilbahn. Mit einer Länge von 66 Metern ist sie die weltweit kürzeste Bahn ihrer Art im öffentlichen Verkehr. Zagrebs Zentrum ist jedenfalls einfach zu Fuß entdecken, ein Kurztrip lohnt sich. Ein bisserl länger als der von Marcel Hirscher kann er schon sein. (Birgit Riezinger, DER STANDARD, 24.1.2015)