Es könnte das Jahr des Neuanfangs bei SmartTVs werden: Getrieben vom boomenden Interesse an Video-Streaming-Services bringen dieses Jahr gleich mehrere Hersteller frische Lösungen auf den Markt. Neben Samsung mit seinem Tizen ist es dabei vor allem Google, das sein Android TV an den Start schickt. Und dabei hat man durchaus mächtige Partner gefunden. Allen voran Sony, das alles seine neuen Fernseher mit der Google-Software ausstatten will. Aber auch Sharp, Philips und Razer haben bereits entsprechende Produkte angekündigt.

Ein Anfang ist gemacht

Der optimale Zeitpunkt also, um schon mal vorab einen Blick auf die Fernsehervariante des viel genutzten Betriebssystems zu werfen. Zu diesem Zweck haben wir einen Nexus Player aus den USA besorgt, handelt es sich dabei doch (noch), um das einzige Gerät, das mit Android TV ausgeliefert wird. Angesichts dessen auf die USA beschränkter Verfügbarkeit, soll sich der folgende Artikel freilich ganz auf die Softwareseite konzentrieren.

Vorgeschichte

Zunächst aber ein paar allgemeine Worte. Schließlich ist es nicht Googles erster Versuch, eine eigene SmartTV-Lösung zu schmieden. Mit GoogleTV war man jedoch geradezu spektakulär gescheitert. Softwareprobleme, mangelnde Apps, geringe Akzeptanz durch die Branche und die Konsumenten gleichermaßen, haben dafür gesorgt, dass GoogleTV mittlerweile in die ewigen Softwaregründe eingegangen ist.

Die Chromecast-Anomalie

Dem folgte etwas, womit auch Google selbst nicht gerechnet hatte: Der HDMI-Stick Chromecast entwickelte sich zu einem echten Kassenschlager. Vor allem die einfache Nutzung hatte es den Nutzern angetan. Mit Android TV versucht man nun das Beste aus beiden Welten zu vereinen, also die Vorzüge des Chromecasts mit der Möglichkeit, Inhalte per Fernsteuerung direkt am Fernseher zu durchstöbern.

Der Homescreen von Android TV präsentiert sich aufgeräumt.
Screenshot: Andreas Proschofsky / derStandard.at

Das User Interface von Android TV ist bewusst einfach gehalten. In einigen wenigen Reihen stehen die wichtigsten Inhalte und Apps zur Auswahl. Ganz oben versucht sich Google an einer Auflistung der nach seiner Meinung für die Nutzer relevantesten Inhalte aus unterschiedlichsten Quellen. Leider funktioniert dies eher schlecht als recht. So gibt es eine gewisse Dominanz von Youtube-Clips, ohne das wirklich klar wird, warum gerade die gewählten Videos von Interesse sein sollten. Zudem werden an dieser Stelle aber auch Filme von Google Play Movies dargeboten. An sich eine gute Idee, leider scheitert es aber auch hier an der Auswahl relevanter Inhalte. Werden doch sogar Filme angezeigt, die bereits vollständig betrachtet wurden. Auch aus dem Pool von Dritt-Apps wie dem Media-Center holt sich Google einzelne Filme oder TV-Episoden - mit den selben zufällig wirkenden Auswahlkriterien.

Fortgesetzt

Am Sinnvollsten erweist sich noch die allererste Position der Liste: Dort landen nämlich jene Inhalte, die zuletzt wiedergegeben wurden. Das ist nützlich, um schnell mal eine Musikplaylist oder einen Film fortzusetzen. Davon abgesehen bleibt nur die Hoffnung auf spätere Updates. Eventuell sollte sich Google lieber darauf konzentrieren, zuletzt abgespielte Playlists, die nächsten Episoden einer Serie oder auch noch nicht fertig betrachtete Filme an dieser Stelle zu vereinen. Das aktuelle Konzept funktioniert jedenfalls einfach nicht.

Material Design

Doch weiter im Aufbau des User Interfaces: Es folgen die Reihen mit den installierten Apps und Spielen. Am unteren Ende des Android-TV-Homescreens gibt es dann noch die Shortcuts, um zu den Systemeinstellungen zu gelangen. Optisch ist all das im Stil des Material Designs gehalten, wie es auch bei Smartphones und Tablets derzeit von Google forciert wird. Es gibt also zahlreiche Übergangsanimationen, und die Apps präsentieren sich mit einer individuellen Highlight-Farbe.

Die Oberfläche trägt unverkennbar die Züge des Material Design.
Screenshot: Andreas Proschofsky / derStandard.at
Die Kategorien werden in einem Sidebar präsentiert.
Screenshot: Andreas Proschofsky / derStandard.at

Google verspricht, dass bei Android TV jede Aktion mit wenigen Klicks erledigt werden kann. Und tatsächlich ist die Nutzung erfreulich unkompliziert. Die Steuerung erfolgt wahlweise über eine simple Fernsteuerung - wie sie etwa der Nexus Player mitliefert - oder ein Gamepad. Alternativ lässt sich Android TV aber auch mit einer Smartphone-App steuern - was vor allem für Texteingaben eine nützliche Option ist.

Sprachsuche

Doch es gibt noch eine weitere Eingabemethode, und die ist ein echtes Highlight von Android TV: Können doch auch sprachgesteuerte Suchanfragen gestellt werden. So lässt sich dann etwa flott herausfinden, in welchen Filmen Benedict Cumberbatch mitgespielt hat. Ein Klick auf einen Film offenbar weitere Details, zudem werden verwandte Filme oder Schauspieler gelistet, um weiter stöbern zu können. Hier kann Googles Knowledge Graph - wie er auch bei Websuchen zum Einsatz kommt - seine Stärken voll ausspielen. In der Filmansicht wird zudem, wenn vorhanden, gleich der passende Trailer von Youtube angeboten. Und ist der Film über eine der installierten Apps verfügbar, steht diese Option ebenfalls direkt zur Wahl. Leider scheint dieses System noch nicht ganz ausgereift, so dass im Test etwa die Nutzung von Plex zur Folge hatte, dass keinerlei Vorschläge von Google Play Movies mehr geliefert wurden.

Die Sprachsuche funktioniert hervorragend. Und eignet sich bestens um nach Filmen und Musik zu stöbern.
Screenshot: Andreas Proschofsky / derStandard.at
Android TV beantwortet aber auch einfach Fragen a la Google Now.
Screenshot: Andreas Proschofsky / derStandard.at

Zu all dem bietet die Sprachsuche auch noch eine Prise "Google Now". Die Nutzer können also beispielsweise nach der Höhe des Eifelturms oder dem aktuellen Wetter fragen, und bekommen Antwort in Ton und Bild. All dies funktioniert freilich nur am Homescreen, innerhalb der einzelnen Apps sind die Suchen auf das jeweilige Programm beschränkt.

App-Auswahl

Jedes Betriebssystem ist freilich nur so viel Wert wie die dafür verfügbaren Programme. Derzeit ist das diesbezügliche Angebot für Android TV noch eher dünn gesät, zumindest sind aber bereits einige Perlen mit dabei wie Netflix, Plex und natürlich all die Google-Apps für Musik und Video. Bei Spielen sieht es ähnlich aus, einige Titel wie Leo's Fortune oder auch SkyForce 2014 stechen positiv hervor - letzteres übrigens sogar in einer eigens optimierten Version für den Fernseher.

Eines der besseren verfügbaren Spiele: SkyForce 2014.
Screenshot: Andreas Proschofsky / derStandard.at
Der Play Store für Android TV lässt derzeit noch einiges zu wünschen übrig - sowohl in Hinblick auf die App-Auswahl als auch die technische Umsetzung.
Screenshot: Andreas Proschofsky / derStandard.at

Dass das App-Angebot derzeit noch relativ klein ist, liegt übrigens nicht zuletzt an Google selbst. Im Gegensatz zum Play Store für Smartphones werden hier nämlich alle Neuzugänge zuerst von dem Softwarehersteller kontrolliert. Damit will man wohl verhindern, dass das System am Anfang mit niedrigqualitativen Apps geflutet wird. Ob man den Zugang später öffnen wird, ist eine Frage, die Google derzeit noch nicht beantworten will. Momentan ist der Play Store für Android TV aber ohnehin dermaßen schlicht gehalten, dass er mit einer großen Anzahl an Apps überhaupt nicht umgehen könnte. Selbst eine Suchfunktion gibt es bislang nicht.

Ein entscheidender Vorteil

Dass der App-Ausblick trotzdem recht positiv ist, liegt daran, dass Android TV einen entscheidenden Vorteil hat. Im Kern ist es dasselbe Android 5.0, dass auch auf Smartphones, Tablets und Wearables läuft. Die fernseherspezifischen Bestandteile wurden einfach über eigene Apps implementiert, allen voran dem Leanback Launcher. Dies bedeutet auch, dass Entwickler ihre Android-Apps und Spiele mit geringem Aufwand für Android TV aufbereiten können. Wichtigste Voraussetzung ist die Unterstützung von Fernbedienung und Gamepad zur Steuerung - immerhin gibt es hier keinen Touchscreen. Auch so manche UI-Anpassung wird wohl Sinn machen. Der Kern der App kann hingegen praktisch unverändert bleiben kann.

Netflix ist bereits verfügbar.
Screenshot: Andreas Proschofsky / derStandard.at
Google Play Movies darf natürlich auch nicht fehlen.
Screenshot: Andreas Proschofsky / derStandard.at

Von Haus aus installiert Google nur relativ wenige Apps, allen voran Google Play Movies, Google Play Music und Youtube. Um die Spielefähigkeiten von Android TV zu betonen wird zudem Google Play Games installiert, über das sich die Nutzer mit ihren Freunden messen können. Das ist an sich nett gedacht, leidet aber an dem derzeit noch stark eingeschränkten Spieleangebot für Android TV. So ist es irgendwie sinnlos zu wissen, was die eigenen Kontakte so spielen, wenn man das Game ohnehin nicht auf dem Fernseher installieren kann. Nett ist hingegen, dass all die wiedergegebenen Inhalte im Hintergrund weiterlaufen, wenn auf den Homescreen gewechselt wird. Erst wenn eine neue Wiedergabe initiiert wird, bricht der vorherige Inhalt ab. Wer will kann also auch Musik hören, während die Netflix-Bibliothek durchstöbert wird.

Cast all the things

Neben den nativen Apps hat Android TV aber noch einen anderen Modus, und dieser erweist sich als äußerst erfreulicher Bonus: Unterstützen entsprechende Geräte doch allesamt Google Cast - und können so ein Chromecast vollständig ersetzen. Sei es das Pushen von Inhalten an den Fernseher oder das Spiegeln eines Browser-Tabs - all das geht also auch hier problemlos.

Trennung

Einziger Kritikpunkt: Leider sind die Google Cast und Android-TV-Welten bislang nicht miteinander verschränkt. Wird die Wiedergabe über eine Android-TV-App initiiert, bieten sich oft mehr Optionen als bei Google Cast. Begrüssenswert wäre, wenn das Gerät automatisch erkennt, ob die passende App installiert ist, und dann automatisch diese nutzt anstatt der normalen Cast-Darstellung. Das wäre allein schon in Hinblick auf eine konsistente User Experience wünschenswert. Immerhin sollten sich die Nutzer keine Gedanken darüber machen müssen, auf welchem Weg sie die Wiedergabe initiiert haben.

Die Systemeinstellungen von Android TV.
Screenshot: Andreas Proschofsky / derStandard.at
Wie am Smartphone auch gibt es hier versteckte Entwickleroptionen.
Screenshot: Andreas Proschofsky / derStandard.at

Dass Android TV derzeit noch in den Kinderschuhen steckt, zeigt sich auch daran, dass so manche geplante Funktion derzeit noch nicht ausgeführt ist. So sollen Apps in Zukunft auch klassische TV-Inhalte einbinden können. Die entsprechende Unterstützung ist auch bereits installiert, wird derzeit aber noch von keiner App genutzt.

Android pur

Der Umstand, dass es sich im Kern um ein ganz normales Android 5.0 handelt, bedeutet auch gute Nachrichten für all jene, die gerne basteln. So können etwa mithilfe der üblichen Entwickler-Tools beliebige Dritt-Apps manuell installiert werden - auch wenn hier natürlich wegen des fehlenden Touchscreens längst nicht alles brauchbar ist. Über die USB-Schnittstelle lässt sich ebenfalls so einiges anstellen. So kann sie etwa beim Nexus Player über einen Adapter Ethernet-Support bringen, oder mittels USB OTG externe Speichermedien einbinden. Ob all das auch mit den Fernsehern von Sony oder anderen Herstellern möglich sein wird, muss sich freilich erst zeigen.

Fazit

Android TV in seiner derzeitigen Version ist definitiv als Beta-Version zu betrachten. So manches wirkt noch nicht ganz zu Ende gedacht, die eine oder andere Baustelle ist unübersehbar. Und doch schimmert das Potential durch: Die gemeinsame Basis mit der Smartphone- und Tablet-Welt sollte ein rasches Anwachsen der verfügbaren Apps garantieren, das User Interface ist hübsch gemacht, und der Google Cast-Support ist ein echtes Plus.

Offene Fragen

Ob Google mit Android TV endlich der großen Wurf im SmartTV-Bereich gelingt, hängt aber nicht zuletzt auch von einem externen Faktor ab. Denn während die Software auf dem Nexus Player flüssig läuft, gilt abzuwarten, ob auch all die TVs die notwendige Rechenkraft haben werden. Etwas Sorge bereitet zudem, dass der Platz schon beim Nexus Player mit seinen 8 GB lokalem Speicherplatz sehr schnell eng wird - bleibt zu hoffen, dass die anderen Hersteller hier mehr Raum für eigene Apps und Daten schaffen. (Andreas Proschofsky, derStandard.at, 25.1.2015)