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Angela Merkels petrolfarbenes Kleid, das sie bei den Bayreuther Festspielen 2008 ...

Foto: ap/beil

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... und 2012 glatt ein zweites Mal trug, sorgte für Diskussionen in den deutschen Medien. Spiegel.de interpretierte das als Demonstration dessen, was sie auf allen politischen Bühnen predigt: "Sparsamkeit. Bodenständigkeit".

Foto: ap/schamberger

Man könnte meinen, endlich komme Bewegung in die Sache. Seit einiger Zeit müssen sich auch männliche Politiker nach Anzug, Haarschopf und Krawatte messen lassen. Das zeigte das deutsche Männermagazin GQ vor wenigen Wochen. Anfang des Jahres hatte es in seiner jährlichen "Best dressed" -Liste neben Sängern, Fußballspielern und Schauspielern wieder einen Politiker aufs österreichische Treppchen gesetzt, und zwar einen, der seinen Auftritt nicht allzu lange einstudieren konnte. 2014 reichte noch die "graumelierte Eleganz" von Bundeskanzler Faymann, die, so das Magazin, irgendwie an George Clooney erinnere. In diesem Jahr ist nun der Außenminister dran. Der bringe "jugendliche Gelassenheit in den steifen Polit-Style".

Doch nicht in jedem Kontext wird Sebastian Kurz' relaxt zurückgegelter Haarschopf so uneingeschränkt positiv bewertet: Was der GQ ein Platz auf dem Treppchen, ist dem Spiegel ein dezentes Naserümpfen wert. Auf den ersten Blick, schrieb das Hamburger Magazin im letzten Herbst, wirke Kurz "wenig ministeriell, eher wie ein Model aus dem Hugo-Boss-Katalog." Es folgten knappe Bemerkungen über die scharf geschnittenen Anzüge, die festsitzenden Krawatten und ein Gesicht, das stets wie "frisch eingecremt" leuchte. Echte Begeisterung liest sich anders.

Solche Kommentare kennen Politikerinnen in Spitzenpositionen nur zu gut. Die männlichen Kollegen haben in ihren dunklen Uniformen meist überhaupt kein Problem. "Der Herrenanzug schützt und schafft Unantastbarkeit und schließt die Männerreihen gleichzeitig auf hermetische Weise", erklärt die Soziologin Eva Flicker.

Politikerinnen hingegen, die ihr Frau-Sein nicht illustrieren, fallen auf. Und die, die das doch tun, bekommen es mit der Öffentlichkeit genauso zu tun. Eine Lose-lose-Situation, wenn es nach Flicker geht. Die Frauen bildeten im Politkontext immer einen Kontrast, auf Gruppenporträts seien sie oft die wenigen Farbflecken auf dem Bild. "Frauen haben die Schwierigkeit, an Männern und an anderen Frauen gemessen zu werden."

Scharfer Blick

Denn Politikerinnen-Auftritte werden noch immer von der Handtasche bis zur Absatzhöhe, vom Perlenohrring bis zum Lippenstift genüsslich seziert. Das förderte zuletzt ein öffentlich-rechtlicher Kameraschwenk der deutschen Nachrichtensendung "Die Tagesschau" zutage. Die Hamburger FDP-Chefin und Spitzenkandidatin bei der bevorstehenden Bürgerschaftswahl, Katja Suding, wurde während des Dreikönigstreffens auf dem Podium sitzend gefilmt. Die erste Einstellung galt ihren transparent bestrumpften Beinen, bevor die Kamera langsam nach oben auf ihr Gesicht schwenkte. Für den Beineschwenk, ein Relikt aus den Achtziger- und Neunzigerjahren, hat sich die Redaktion umgehend entschuldigt.

Dennoch gilt für Politikerinnen heute mehr denn je: Ihr Auftritt wird Seite an Seite von Frauen aus dem Unterhaltungsbusiness verhandelt, und zwar gemäß dessen Kriterien von Schönheit und weiblichem Spektakel. Öffentlich diskutiert werden hier wie da Rocklänge, der Sitz der Feinstrumpfhose wie die Wahl der Handtasche: Haben Herzogin Kate (33) und Angela Merkel (60) nicht beide eine Vorliebe für Longchamp-Taschen? Und tragen nicht die eine wie die andere ihre Blazer gern ein zweites Mal? "Wir leben in einer Gesellschaft, die die Ästhetisierung so weit treibt, dass man das auch kritisieren kann", sagt Eva Flicker.

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Angela Merkels Outfits bei den Neujahrsansprachen von 2005 bis 2014.
Foto: apa/epa/various

Woman Fashion Power

Öffentliche Auftritte von Frauen in der Politik werden gerne modisch gegeneinander ausgespielt, Politikerinnen mit First Ladies oder mächtigen Frauen aus der Wirtschaft verglichen - so passiert in der aktuellen Ausstellung "Women Fashion Power" im Design Museum in London. Da landet zum Beispiel ein Outfit der neuen sozialistischen Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo neben dem der Erfinderin und Leiterin des Online-Shops Net-à-Porter. Beides einflussreiche Frauen, keine Frage.

Doch dann hört es mit den Gemeinsamkeiten auch schon auf. Das spiegelt sich auch innerhalb der präsentierten Outfits an den Puppen wider: Massenet hat schnittige Stücke, vom Carven-Blazer bis zu den Jimmy-Choo-Pumps ausgesucht. Anne Hidalgos Zusammenstellung, bestehend aus Blazer, Bluse, enger Hose, Schal, alles ohne Herstellerangabe, wirkt daneben schon fast behäbig. Der Grat zwischen zeitgemäß und modisch ist bekannterweise schmal.

Hämische Spitznamen

Wenn Politikerinnen ihr Faible für Mode zum Ausdruck bringen, bringt ihnen das oft hämische Spitznamen ein: Die dänische Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt wird zur "Gucci-Helle", Benita Ferrero-Waldner zum "Chanel-Pupperl". Nur wenige haben sich so offensiv zur Mode geäußert wie Margaret Thatcher, stets in Betonfrisur und in sackige Kostüme gegossen. Die erklärte in den Achtzigern in einem Beitrag der BBC das Abc der Politikerinnen-Kleiderstange. Erste Regel: Ziehe in wichtigen Momenten nichts Neues, sondern nur Vertrautes an.

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Margaret Thatcher mit Michail Gorbatschow im Jahr 1984.
Foto: ap/file

Ein Prinzip, das die deutsche Bundeskanzlerin wie keine Zweite verinnerlicht hat. Vom Perlenschmuck einer Thatcher oder Ferrero-Waldner Lichtjahre entfernt, hat sie das Uniform-Prinzip von ihren männlichen Kollegen übernommen. "Frauen passen sich an, ob man das als eine resignative oder kluge Strategie bezeichnen möchte, kann man sehen, wie man will", kommentiert Eva Flicker die Strategie von Politikerinnen wie Ursula von der Leyen oder Angela Merkel. Die lässt seit ihrer Wahl zur Bundeskanzlerin vor knapp zehn Jahren Hosenanzüge in Serie fertigen.

Bewährtes & Riskantes

Das bewährteste Modell: der Dreiknopfblazer der Hamburger Designerin Bettina Schoenbach. Den hat die Deutsche in allen Farben, die der Farbkasten hergibt, in ihrem Kasten hängen. Farblich setzt sie sich im Gegensatz zu den Herren Kollegen keine Grenzen: Pink, Gelb, Grün - sogar zur Farbe Rot, die Maggie Thatcher aus ideologischen Gründen mied, pflegt die CDU-Frau eine enge Beziehung. Die Farbe wird dem jeweiligen Anlass entsprechend ausgewählt.

Kaum vorstellbar, dass selbst die Merkel-Uniform vor einigen Jahrzehnten verpönt gewesen wäre. Noch 1970 löste in Deutschland eine Politikerin im Hosenanzug unter Männern aller Fraktionen einen Skandal aus: Die SPD-Frau Lenelotte von Bothmer hielt als erste Frau in Hose und Kostümjacke eine Rede im Bundestag. Heute wiederum ist diese Errungenschaft nicht jeder Politikerin Sache.

Die Literaturwissenschafterin Barbara Vinken beobachtet in ihrem Buch "Angezogen", dass die französischen weiblichen Führungseliten im Berufsleben nicht mehr nur Hosenanzug oder Kostüm, sondern offensiv ein Kleid trügen. Dass genau das nach hinten losgehen kann, erfuhr 2012 die damalige grüne Bautenministerin Cécile Duflot. Die männlichen Abgeordneten übergossen sie während ihrer Rede offen mit sexistischen Kommentaren: Sie trug ein geblümtes Sommerkleid. Heute ist die Politikerin auf dem aktuellen Porträt ihrer Facebook-Seite in einem Blazer abgebildet.

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Foto: apa/schlager

Chucks & Jeans
Eva Glawischnig hat modisch einiges ausprobiert. Weißes Trägertop über dem Schwangerschaftsbauch oder ein Bauchblitzer zur Hochzeit? Die Grüne hat die Österreicher gelehrt, dass ein paar Magazinauftritte ausreichen, um das Private politisch zu machen. Heute vermittelt sie in sportlichen Kombinationen Dynamik wie Basisnähe. 2013 kletterte "Eva" in der grünen Plakatkampagne in Chucks, Skinny-Jeans und kariertem Holzfällerhemd Bäume hinauf oder bestellte Gemüsebeete. Mit dabei: Kinder oder Tiere.

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Foto: apa/scheriau

Bob & Ohrring
Innenministerin Johanna Mikl-Leitner mag Mode, und das dürfen alle wissen. Gegenüber der "Krone" erklärte die Innenministerin, woher ihr Sinn für Mode kommt. Wegen Zwillingsschwester Nelli sei als Kind immer zu wenig Gewand da gewesen. Ihr Stil: gerade Linien, meist beim Knie endend. Dazu jede Menge Schnickschnack um Hals, Finger, Ohren. Das offizielle Ministerinnen-Porträt: Der strenge Bob legt einen Perlenohrring frei, der Schalkragen des Wickelpullovers offenbart die linke Schulter. Diese Frau gibt sich ungern zugeknöpft.

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Foto: apa/pfarrhofer

Blazer & Bluse
Davon, dass Gabriele Heinisch-Hosek mit sich im Reinen ist, kann man ausgehen. Erst setzte sie sich für ein Bildbearbeitungsgesetz ein, dann initiierte sie die Kampagne "Liebe dich so wie du bist!", eine Initiative für ein "gesundes Selbstbild von Frauen". Um den Hals trägt Heinisch- Hosek eine Kette mit Kreuz, obwohl sie der Kirche längst den Rücken gekehrt hat - ein Andenken an den verstorbenen Patensohn. Dazu Blazer über Bluse, ab und zu eine Lederjacke oder ein roter Mantel, Lippenstift, kleine kugelige Ohrhänger, das war's.

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Foto: apa/schlager

Armband & Jacke
Im letzten Jahr war das Projekt Mariahilfer Straße sicherlich für einige von Maria Vassilakous grauen Strähnen verantwortlich. Die trägt die grüne Vizebürgermeisterin mit Fassung und einem breiten Lächeln. Immerhin wurde sie vor einigen Jahren schon einmal als erfolgreiche Politikerin in der griechischen "Vogue" porträtiert. Vassilakou lässt sich gern mit knapper Lederjacke und jeder Menge Armbänder um beide Handgelenke ablichten. Nicht zu vergessen: das Klapprad. Und im letzten Jahr: ein ganzes Bobby-Car-Geschwader.

Foto: Robert Newald

Kragen & Gel
"Jugendliche Gelassenheit im steifen Polit-Style"? Diese lässt sich bei Sebastian Kurz offensichtlich an seiner Vorliebe für geöffnete Hemdkrägen ablesen: Sobald es der Anlass erlaubt, lässt Kurz die Krawatte im Kasten. Ansonsten vertraut der "jüngste Außenminister der Welt" auf schmal geschnittene Anzüge, darunter sitzen Hemden mit Haifischkrägen, jene Modelle mit den weit auseinanderliegenden Kragenspitzen. Das volle Haar, nach hinten gekämmt: hält - dank großzügigen Drucks auf die Gel-Tube.

Foto: Heribert Corn/http://www.corn.at

Stoff & Schnauzer
Dieser Mann ist den Hipstern um einiges voraus: Bürgermeister Michael Häupl hält dem Oberlippenbart schon lange die Treue. Im Gegensatz zu farblich flexiblen Kollegen machte er das Rot zu seinem Markenzeichen. Rote Schals oder Krawatten gehören so sehr zum Rathausmann, dass sogar die ÖVP in ihrer Wien-Wahl-Kampagne 2010 eines dieser Stöffchen im Wind flattern ließ. Häupl ist nicht der einzige Bürgermeister, der am roten Schal klebt. Walter Momper, einst Regierender Bürgermeister von Berlin, hielt es genauso.

(Anne Feldkamp, Rondo, DER STANDARD, 30.1.2015)