Stephanie Mohr inszeniert "Der Boxer" von Felix Mitterer im Theater in der Josefstadt. Das Stück erzählt vom Überlebenskampf des Sinti-Boxers Johann "Rukeli" Trollmann. Premiere: 29.1.


Foto: Robert Newald

Wien - Der deutsche Boxer Johann "Rukeli" Trollmann war 1933 deutscher Meister im Halbschwergewicht. Das Nazi-Regime hat bald darauf seine Karriere brutal beendet. Trollmann entstammte einer Sinti-Familie und starb 1944 im Konzentrationslager Neuengamme. Seine Geschichte blieb lange unbeachtet. Erst 2010 widmete sich ein Film dem Lebensweg Trollmanns. Den Stoff hat nun auch Felix Mitterer für ein Theaterstück aufgegriffen, Der Boxer hat am Donnerstag im Theater in der Josefstadt Uraufführung. Regie führt Mitterer-Kennerin Stephanie Mohr (Die Weberischen, Jägerstätter).

STANDARD: Das Boxthema ist für das Theater attraktiv. Wie haben Sie sich ihm genähert?

Stephanie Mohr: Ich habe mich mit verschiedenen Boxstilen beschäftigt, das ist ja im Stück ein wichtiges Thema. Vor allem war mir wichtig, eine Essenz für eine theatralische Umsetzung zu finden. Einfach einen Boxring auf die Bühne zu stellen bringt nichts. Die Situation für das Publikum ist in einer Halle ja ganz anders als in einem historischen Guckkastentheater. Ich habe anhand meiner Recherchen danach gesucht, wie man die Kämpfe für die Zuschauer begreiflich auf die Bühne bringen kann, und bin dann auf eine Umsetzung gekommen, die sich über Sandsäcke transferiert. Auf ihnen basiert auch das Bühnenbild.

STANDARD: Gregor Bloéb und Raphael von Bargen spielen die beiden Kontrahenten. Können sie so gut boxen?

Mohr: Die beiden Schauspieler können sehr gut beglaubigen, dass sie in der Lage sind zu kämpfen. Als Regisseurin muss ich da ohnehin choreografischer, in kleinen Tranchen denken, Schlaglichter setzen. Ich arbeite mit Boxtrainer Ernst Dörr zusammen, der Kickboxweltmeister war und der zum Glück einen sehr guten Blick fürs Theater hat.

STANDARD: Felix Mitterer inszeniert stark mit beim Schreiben. Das Stück hat viele und genaue Regieanweisungen. Wie verschaffen Sie sich da Luft?

Mohr: Ich betrachte die Regieanweisungen wie einen Prosatext, den Felix Mitterer hinzufügt und der mir zeigt, was er meint. Viele Regieanweisungen kann ich verwenden, andere sind für mich eher ein Impuls, aus dem ich etwas anderes mache. Also ich fühle mich nicht grundsätzlich eingeengt. Man muss diesen Wald durchforsten, dann aber eigene Bilder und Rhythmen finden. Ich glaube nicht, dass es gut wäre, alle Regieanweisungen, die drinstehen, genau so auszuführen. Gerade die Boxszenen zum Beispiel sind eher filmisch, nicht theatralisch geschrieben.

STANDARD: Die Figuren sind überdeutlich nach einem romantischen Bild von Sinti und Roma entworfen: Geige spielen, Wahrsagerei, folkloristische Tracht, die Musik. Wie viel von diesem zeitgenössischen Lokalkolorit ist in der Inszenierung notwendig?

Mohr: Das sind zwei verschiedene Dinge. Einerseits die Verortung in der Zeit und andererseits die Darstellung der Sinti. Zum einen handelt es sich um reale, historisch verbriefte Details: Der Vater von Rukeli war nun einmal Musiker, der Bruder war Geiger. So klischiert manche Dinge sind, in den Klischees ist ja auch die Wahrheit zu Hause. Wichtig ist aber andererseits auch der Blick der Gadsche (Romanes für Nichtsinti oder Nichtroma, Anm.) auf die Sinti, die damit verbundenen Ängste und Erwartungen. Die Musik aus Gräfin Mariza wird ja benützt, um zu zeigen, wie sich Nichtsinti das "Zigeunerleben" vorstellen. Und was für eine merkwürdige Kombination aus Überheblichkeit und Unterlegenheitsgefühl sich daraus ergeben kann, welche Sehnsüchte nach Nomadentum und Freiheit hineinprojiziert werden.

STANDARD: Wie wichtig ist die Sichtbarmachung des historischen Schauplatzes, der NS-Zeit ?

Mohr: Es ist wichtig. Es spielt unter Nazis, es spielt teilweise in einem KZ, was fast unmöglich darzustellen ist. Man kann und soll es nicht der Zeit entheben, dennoch wollen wir nicht alles mit Kostümverleihuniformen zuplätten. Es kommt kein Hakenkreuz vor. Diese beinahe vereinfachenden Etiketten braucht es nicht, es geht um zwischenmenschliche und damit politische Vorgänge.

STANDARD: Sie waren anfangs Regieassistentin bei Claus Peymann am Burgtheater. Was haben Sie als sehr junge Frau damals in dieser Männerdomäne gelernt?

Mohr: Ich hab es damals gar nicht als Männerdomäne empfunden. Ich war ja erst 19 Jahre alt. Das wurde mir erst später bewusst. Heute bin ich sehr dankbar dafür, weil ich eine Zeit erwischt habe, die noch mit großen Theaterutopien behaftet war, die später doch ein wenig weggebrochen sind. Ich bin dankbar, mit Regisseuren wie Peymann, Leander Haußmann, Paulus Manker, Tamás Ascher gearbeitet zu haben. Aber auch mit den Schauspielern: Ulrich Mühe, Kirsten Dene, Martin Schwab, Gert Voss oder Johann Adam Oest. Denen zuzuschauen und von ihnen zu lernen, das war elementar.

STANDARD: Wie kam es dazu, dass Sie mit 19 Jahren schon wussten, dass Sie Regisseurin werden wollen?

Mohr: Als 13-Jährige war ich ein richtiger Kinofreak. Ich lebte damals in Paris, da gab es sehr viele Programmkinos, und ich wollte Filmregisseurin werden. Mich haben nicht nur die Bilder von Regisseuren wie Ernst Lubitsch, Orson Welles, Billy Wilder oder Joseph Losey fasziniert, sondern auch die Weise, wie sie zwischenmenschliche Szenen aufgebaut haben. Etwas Theatralisches war da offenbar dabei. Wir sind aber dann nach Wien übersiedelt, und so bin ich ins Theater abgedriftet. Ich habe dann auch gemerkt, dass mich diese kontinuierliche Arbeit auf der Probe mehr interessiert.

STANDARD: "Der Boxer" endet mit einem märchenhaften Bild, das die historischen Geschehnisse aufhebt ...

Mohr: Ich weiß noch nicht, ob ich es genau so machen werde, muss ich ganz ehrlich sagen. Beim Lesen wirkte es für mich etwas fremd. Ich muss zuerst den ganzen Vorlauf sehen, sehen, wo dieser emotional hinführt. (Margarete Affenzeller, DER STANDARD, 28.1.2015)