Unweit der U2-Endstation Seestadt Aspern: Im Salotto Vienna finden noch bis März Gespräche, Konzerte oder Performances statt.

Foto: Christian Bauer

Wien - Die Reise führt einen weit hinaus, man möchte fast sagen: an den Allerwertesten der Welt. Diesen hier erreicht man allerdings ziemlich direkt. Um in die Seestadt Aspern zu kommen, muss man nur die U2 bis zur Endstation nehmen. Man befindet sich dann auf der "alten Rollbahn". Dort kann es des Abends ein bisschen gespenstisch werden, zumal man dank Google Maps weiß, dass die Janis-Joplin-Promenade nahe ist.

Dann bewahrheitet sich allerdings wieder der alte Spruch: Immer, wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her. Auf der alten Rollbahn hat dieses die Gestalt eines quadratischen LED-Displays, das bunte Animationen in die Nacht schickt. Folgt man diesem Stern, den das Media Architecture Institute am sogenannten "Flederhaus" angebracht hat, führt er einen geradewegs zum Salotto Vienna: zu jenem Ort, wo man für kurze Zeit vergessen kann, dass Aspern, die ambitionierte Satellitenstadt vom Reißbrett, bis dato noch eher eine Geisterstadt ist.

Unter dem Salotto Vienna muss man sich eine Mischung aus geräumigem Baucontainer und Theater vorstellen. Stoffbespannte Wände sollen, dem Titel der Unternehmung entsprechend, Salonatmosphäre schaffen. Der Salotto ist ein improvisierter Kunstraum, in dem noch bis Ende März Künstlergespräche, Konzerte oder Performances stattfinden. Eine Bar gibt es auch.

Hinter dem Projekt steht Kulturorganisator Jürgen Weishäupl, der etwa auch die Content Art auf dem Karlsplatz mit ihrer riesigen weißen Kugel entwickelte. Der Salotto Vienna machte im Vorjahr bereits in Triest und Görz halt. Laut Pressetext handelt es sich um ein "neues Kunstformat", denn: "Inspiriert von den Wiener Salons der vorletzten Jahrhundertwende stehen hier KünstlerInnen und ihr Werk gemeinsam mit dem Publikum in einem Raum". Sie atmen also quasi die gleiche Luft!

Man beschwört die Stimmung des Fin de Siècle, oder, wie es auf der Webseite des Kooperationspartners Museum für angewandte Kunst einmal heißt, die "vibrierende Atmosphäre der Belle Époque".

So gesehen müsste der Salotto Vienna ein geeigneter Ort sein, um etwa der großen Salonière Berta Zuckerkandl zu gedenken, an deren bürgerlichen Zirkeln Musiker, Maler, Schriftsteller teilnahmen und die nicht nur künstlerisch fruchtbare Verbindungen stiftete. So recht will sich dieser Vergleich allerdings nicht ausgehen, und das Problem ist nicht der Baucontainer. Ob sich die Salonromantik als berechtigt erweist, hängt halt auch noch maßgeblich von den jeweils beteiligten Personen ab. Letztlich wird man das Gefühl nicht los, der Salonbegriff diene hier vor allem dazu, einmal mehr die förderungswürdige Verbindung von Tradition und Gegenwart beschwören zu können.

Nichtsdestotrotz bleiben die Präsentationen im Salotto nicht ohne Reiz; vor allem aber die Beziehung des Projekts zur jungen Seestadt - eignet sich der Salotto doch etwa für das Gedankenspiel, wie es wäre, die Kunst nicht nur zum Beiwerk, sondern zur Keimzelle einer Stadt zu machen. (Roman Gerold, DER STANDARD, 28.1.2015)