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Angela Merkel und Wladimir Putin bei einer Pressekonferenz 2012. Die Spannungen zwischen EU und Russland verschärfen sich erneut.

Foto: REUTERS/Maxim Shemetov

Wien - Das Verhältnis zwischen Russland und dem Westen ist angespannt wie selten zuvor. Beim Raketenbeschuss auf die ukrainische Stadt Mariupol wurden am Samstag 30 Menschen getötet, womöglich unterstützt durch russische Truppen. Deutsche Politiker fordern parteiübergreifend schärfere Sanktionen. Aber die Sanktionspolitik ist nicht unumstritten. In der aktuellen Ausgabe des European Journal of Futures setzen sich Johannes Pollak, Samuel Schubert und Elina Brutschin von der Webster University wissenschaftlich damit auseinander.

Ihr Plädoyer fällt dabei recht eindeutig aus: Die EU sollte ihre bisherige Strategie neu überdenken. "Völkerrechtlich sind die Annexion der Krim und die Unterstützung der Rebellen natürlich zu verurteilen", sagt Pollak, Professor für Internationale Beziehungen an der Webster University und Abteilungsleiter am Institut für Höhere Studien. "Politisch ist sie hingegen ein Faktum, das nicht ohne massive Eskalation zu verändern ist."

Sanktionen gegenüber Russland müssten stets im Lichte der gegenseitigen wirtschaftlichen Abhängigkeit beurteilt werden. So könne die EU momentan ohne russisches Gas nicht auskommen: "Es ist kurz bis mittelfristig billiger als alle Alternativen." Wichtig sei Russland für die EU auch als Absatzmarkt: Allein Deutschland habe vergangenes Jahr Güter im Wert von 76 Milliarden Euro nach Russland exportiert. Umgekehrt sei Russland auf europäische Investitionen angewiesen.

"Die begrenzte Wirkung der bisherigen, restriktiven Maßnahmen sollte für Verhandlungen genutzt werden", sagt Pollak. Als Ergebnis solcher Verhandlungen wünscht er sich eine Sicherung der europäischen Erdgasversorgung und die Erfüllung der Lieferverträge.

Kooperation verstärken

Auch gemeinsame Rahmenbedingungen für Investitionen in die Energieinfrastruktur hält er für wichtig. Der Politikwissenschafter kann sich wirtschaftspolitisch eine verstärkte Kooperation mit der Eurasischen Wirtschaftsunion vorstellen.

Aber eine intensive Zusammenarbeit mit Russland allein reicht nicht aus, wenn es um die Energieversorgung geht - auch die Länder innerhalb von Europa sollten hier, wie Pollak und seine Kollegen schreiben, intensiver zusammenarbeiten. Um sich gegen Krisen zu wappnen, empfehlen sie den EU-Mitgliedsstaaten, eine Energieunion zu gründen.

Diese Union muss sich nach alternativen Versorgungsländern umschauen und, um ihre Abhängigkeit von fossiler Energie zu reduzieren, zu erneuerbaren Energieformen forschen.

Ihre Einschätzung stützt das Team einerseits auf Publikationen des Oxford Energy Institute und Berichten der International Energy Community, andererseits auf "zahllose Hintergrundgespräche in Brüssel, der Türkei und Wien". (Lisa Breit, DER STANDARD, 28.1.2015)