Welcome to the DLD Future-Dome.

Foto: Dan Taylor

München/Wien - Der DLD, mit mehr als 150 Speakers und rund 1.000 handverlesenen Gästen aus aller Welt, ist nicht nur der mit Abstand wichtigste interdisziplinäre Zukunftskongress in Europa, sondern hat sich über die nunmehr elf Jahre seines Bestehens auch zu einer der weltweit federführenden Veranstaltungen entwickelt. Dieses Faktum ist auf der DLD-Website durchaus selbstbewusst vermerkt: "Europe´s hottest conference invitation for the most influential opinion-makers, industry leaders, start-ups, creative masterminds and digital giants".

Wer bei dieser seit 2005 ausgerichteten Konferenz dabei sein kann, ist Teil jenes DLD-Spirits, den die beiden Chairmen Hubert Burda und Yossi Vardi gemeinsam mit der Co-Gründerin Steffi Czerny und dem DLD Team jedes Mal aufs Neue zu einem speziellen Thema perfekt zu entfachen wissen. Diese Konferenz hat sowohl das Medienhaus Burda komfortabel in das digitale Zeitalter "geshiftet", als auch den Digitalstandort München und Bayern nicht nur mit seiner Automotive-Industrie nachhaltig in den globalen Focus gerückt. Die diesjährige Konferenz widmete sich dem Thema "It´s only the beginning", also der folgerichtigen Erkenntnis, dass wir erst am Beginn einer noch nicht absehbaren digitalen Revolution stehen. Hier kamen auch in diesem Jahr nicht nur Analysten und Theoretiker zu Wort, sondern vor allem jene, die dem beginnenden digitalen Zeitalter bzw. dem "Internet of things" (IoT) bereits jetzt ihren Stempel aufdrücken.

On Entrepreneurship

Traditionsgemäß eröffnet der DLD mit einem Schwergewicht aus der internationalen Digitalszene. Dieses konnte Burda Media Chef Paul-Bernhard Kallen in Person von Ben Horowitz zum Thema "On Entrepreneurship" begrüßen. Horowitz gehört mit Marc Andressen (Erfinder des Netscape-Browsers) und deren gemeinsamer Risikogesellschaft zu den wichtigsten und erfolgreichsten Risikokapitalgebern im Silicon Valley. Erfolgreichen Investments in Twitter, fb, Skype, airbnb, Zygna, Foursquare, um einige wenige von den vielen zu nennen, gehen im wahrsten Sinne des Wortes auf ihr Konto.. In seinem amikal geführten Gespräch mit Kallen unterstrich Horowitz vor allem die deutlich gestiegene Bedeutung der schnelleren Entscheidungsfindung in der Unternehmensführung. Dieser Umstand fordere seinen Mut deutlich mehr, als seine Intelligenz.

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Über Uber

Danach hieß es "Bühne frei" für Travis Kalanick, den Co-Founder von Uber. Dieser fuhr eine regelrechte Kuschelrunde vor dem Publikum, tat ganz auf "Prince Charming" und bot Arbeitsplätze sowie eine individuelle Partnerschaft zwischen dem US börsennotierten Start-Up und europäischen Metropolen an. Grundsätzlich ist es ja absolut begrüßenswert und sehr löblich, wenn man sich um den nach wie vor zu hohen CO² Ausstoß sorgt. Und wenn dann noch dazu dieser "weiße Ritter" heiß begehrte Arbeitsplätze verspricht, in diesem Fall vollmundige 50.000, ist das eigentlich wunderbar. Ob diese Arbeitsplätze allerdings bereits die Differenz zu den von Uber vorher mittels einfacher digitaler "rideshare-platform" zerstörten, pardon, effizient wegrationalisierter Arbeitsplätze im Taxigewerbe sein können, wurde weder konkretisiert, noch hinterfragt.

Und grundsätzlich ist die Idee eigentlich gar nicht so schlecht, die nicht bewegten, irgendwo parkenden bzw. nicht wirklich ausgelasteten Automobile sinnvoll in den Kreislauf des Individualverkehrs einzubinden. Aber die Tatsache, dass in einigen Ländern existierende Taxi-Monopol scharf anzukreiden und kippen zu wollen, um es danach durch das Uber-eigene "Monopol" zu ersetzen, war den Zuhörern dann schon zu durchsichtig. Die Uber Groß-Attacke auf alle Taxis dieser Welt dürfte allerdings nur der Anfang sein, hier wird mit Sicherheit die Transportlogistik generell ins Visier genommen. Denn die Anleger des 40 Billon US-Dollar schweren Start-ups zeigen sich auch von Verboten und einstweiligen Verfügungen in einigen Ländern von bzw. gegenüber Uber völlig unbeeindruckt. Da kommt noch mehr!

Samwer somewhere beyond

Oliver Samwer ist gemeinsam mit seinen Brüdern nicht nur in der europäischen Digitalszene die absolute Ausnahmeerscheinung. Mit ihren schlauen Kopien von erfolgreichen digitalen Geschäftsmodellen und Millionen an verkauften schrillen Klingeltönen haben sie sich innerhalb von nur zehn Jahren die solide Basis für ihr eigenes Digitalimperium perfekt geschaffen. Im montäglichen Morgenpanel "Rocket. The Sky is the Limit" ließ sich ein völlig entspannter Oliver Samwer vom Gesprächspartner Stefan Winners/Burda über die kommenden Aktivitäten von Rocket Internet und ihrem European Founders Fund (EFF) zwar nicht wirklich in die Karten sehen, sorgte aber mit einigen starken Bonmots für Erheiterung im dicht gedrängten Publikum. "Rocket Internet sei kein Inkubator, sondern eine "disruptive company" und vor allem die digitale Kaderschmiede Europas. Wer bei Rocket Internet anfangen darf, würde eine hausinterne Kaderschmiede wie bei der US-Militärakademie Westpoint durchlaufen. Monatlich würden sich an die 8000 Kadetten bei Rocket bewerben", sagte Samwer. Allein in Berlin beschäftigen die Samwers an die 5000 IT-Spezialisten und haben weltweit geschätzte 25.000 Mitarbeiter. Weiter im Text: "Rocket Internet sei viel cooler als Google. Die hätten dort zwar weiche Sessel, Sushi, Cafés und anderen Schnickschnack, wer aber bei Rocket ist, kann's richtig krachen lassen".

Samwer ist hier auf weiter Flur der einzige europäische Entrepreneur, Investor bzw. Geschäftsmann, der hier so etwas wie einen noch nicht gekannten, aber so dringend benötigten "Europäischen Business Spirt" selbstbewusst, stolz und überzeugend vorbetet und verkündet. Hier wäre wirklich jede Menge an europäischen Copycats angebracht!

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Die Enttäuschung

Völlig anders und völlig enttäuschend hingegen Günther Öttinger, EU-Kommissar für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft. Dieser hatte zwar in seinem Panel einige gute Ideen zu Urheberrecht, Breitbandausbau und Datenschutz anklingen lassen, aber letztendlich vor internationalem Fachpublikum völlig grundlos verkündet, dass die EU den Kampf um das Internet gegen die USA verloren hätte. Ein Bärendienst und ein denkbar schlechtes Zeichen für die europäische Digitalszene, vor allem für die junge europäische Start-up Crowd! Vermutlich hat er das diesjährige Motto des DLD nicht mitbekommen "It´s just the beginning", was so viel bedeutet, dass hier alles nach wie vor völlig offen ist. Öttinger wäre einfach besser beraten gewesen, ein paar klar umrissene Punkteprogramm zur vitalen Stärkung der zukünftigen europäischen Internet-Aktivitäten gerade am DLD zu präsentieren, garniert mit etwas Geld, mit dem die EU ohnehin massenhaft den Markt flutet, aufzustehen und zu sagen: "OK Jungs, wir haben zwar den ersten Satz im Game um das Internet deutlich verloren, but we try it much harder. Ein alter amerikanischer Marketingspruch, by the way!

Gutenberg und das Internet

Gutenberg hat mit seiner Idee der beweglichen Lettern und der Buchpresse die Gesellschaft radikal verändert, soweit sind sich alle völlig einig. Für Journalist Jeff Jarvis ist Gutenberg im Vergleich zu heute ein Start-up-Pionier und somit "der erste Entrepreneur der Geschichte" gewesen. Er musste sein Idee zuerst vorfinanzieren, bis ein Investor an seine Idee glaubte. Dadurch konnte plötzlich Wissen vervielfältigen und verbreiten werden. Das Internet revolutioniert unser Leben heute auf eine andere aber inhaltlich trotzdem idente Weise, wie dies Gutenberg mit seiner Idee 400 Jahre zuvor ermöglicht hatte. Das Buch an sich hält Jarvis für veraltet und sei nur mehr für spezielle Themenbereiche zu gebrauchen, es sei nicht interaktiv genug. Und er ist davon überzeugt, dass das Papierbuch aussterben wird. Sagte es, griff in seine Tasche und zog sein neu erschienenes Buch "Geeks bearing gifts" heraus. Totgesagte leben also länger! Denn gedruckte Buch ist noch lange nicht tot, bzw. so lange noch nicht tot, bis ein überzeugendes und funktionierendes "Online Bezahl- und Copyright Modell" für Autor und Verlag sichergestellt ist. Auch wenn die vielzitierte Haptik der Bücher auch vom Gesprächspartner und Designer Erik Spiekermann beschworen wurde, wird das die heute Fünfjährigen in spätestens zehn Jahren vermutlich nicht mehr kümmern.

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Über die vier Vorreiter im Internet als mögliche Luxusmarken

Neben den vielen inspirierenden und höchst informativen Vorträgen machte Scott Galloway, Professor an der New York University Stern School of Business, im wahrsten Sinne wieder von sich reden. In seiner "900 seconds - 90 slides speech" über Chancen, Risiken und Aussichten der "Four Horsemen", wie er die Internet-Riesen Amazon, Apple, Google und Facebook nannte, kamen Apple und Facebook bei ihm sehr gut weg. Apple habe es als einziger Tech-Konzern geschafft zu einer globalen digitalen Luxusmarke zu werden. Facebook beweise nach wie vor seine enorme Durchdringungskraft und habe mit der Übernahme von Instagram den besten Riecher seit langem und echt Schwein gehabt. Google und Amazon allerdings waren von seiner analytischen Kritik nicht gefeit. Amazon operiere zu teuer, weil - man höre und staune - mit zu hohen Kosten beim Versand behaftet und beim E-Commerce an seine Wachstumsgrenzen gestoßen sei. Und bei Google würden bereits Umsätze und Gewinne aus der Online-Werbung stagnieren. Zusätzlich mache der Aufstieg des mobilen Internets auch Google zu schaffen. Und Google+ als Gegenpol zu fb ebenso wie das Google-Glass hält Galloway für sowas von mausetot. Die von ihm brillant Kritisierten werden es vermutlich verschmerzen können. Die Details zu seinen "predictions" im Video; aber Achtung: "fasten your seatbelts"!

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The bling and the click. Digital´s impact on Luxury

Nachdem Galloway seine Wortsalven mit bescheidenen 90 hochinteressant gestalteten Folien süffisant in das Publikum abgefeuert hatte und entsprechend atemlos vom Publikum heftig beklatscht wurde, gab es gleich drauf mit ihm eine kleine Diskussionsrunde zum Thema "Luxus online". An diesem Panel nahm neben Tracy Yaverbaum von Instagram und Gregor Vogelsang von der Burda Tochter C3 auch ein älterer soignierter Herr im eleganten Maßanzug aus Florenz teil. Staunen im Publikum! Andrea Panconesi entpuppte sich bei näherem Hinhören nicht nur als Besitzer und Betreiber eines kleinen Luxusladens namens Luisa Via Roma im Zentrum von Florenz, sondern als ein "Digitalfreak" der ersten Stunde. Um mit seinen treuen Kunden aus aller Welt noch besser vernetzt zu sein, baute er von Beginn an konsequent auf Kundenkontakte via Web und an einem Online-Shop für seine Luxuslabels. Dazu sein Resümee: "Wir haben an die 20.000 Besucher täglich auf unserer digitalen Einkaufsplattform und machten damit insgesamt deutlich mehr Umsatz, als in den drei Generationen unseres Bestehens zuvor". Beati voi!

DLD15 Summary

Auch in seinem 11. Jahr war der DLD wie immer für die aus allen Wind- und Geschäftsrichtungen angereisten 1.000 Gäste brandaktuell, mit jeder Menge an Top-Besetzungen in den Interviews, Vorträgen, Panels und Workshops. Generelle Gesprächsthemen waren natürlich auch "wearbles" und die Tatsache, dass das Internet integrativer Bestandteil unseres Lebens durch das bereits viel zitierte "Internet der Dinge sein wird. Dies bestätigte auch Google-Boss Eric Schmidt einige Tage später beim WEF in Davos. Er verkündete nicht etwa das Ende des Internets, sondern meinte, dass die Grenzen zwischen dem individuellen "Online- und Offline-Sein" völlig verschwinden werden, auch dank dieses "Internets der Dinge".

Ja, das ist nicht irgendeine "prediction", sondern nur ein klarer Hinweis auf unser bevorstehendes digitales Leben. An unserer "digitalen Aura" wird unermüdlich gearbeitet und wir selbst arbeiten täglich bewusst oder unbewusst und vor allem freiwillig daran, diese Aura mehr und mehr präsent werden zu lassen, um uns durch das "Internet der Dinge", das vermutlich früher als später in das "Internet aller Dinge" umbenannt werden wird, zu navigieren. Mit dieser leuchtenden Aura ausgestattet, werden wir uns dann einfacher, leichter erkennbarer und vor allem analysierbarer auf der Menü-Karte der Internet-Giganten und all jener, die sich davon legal oder illegal angezogen fühlen, präsentieren.

Zum Schluss die traurige Nachricht für Eingeweihte

Mit der elften Veranstaltung geht der DLD nicht nur in eine neue Dekade sondern wechselt im nächsten Jahr in eine noch zu bestimmende Konferenz-Location. Das wirklich stylische HVB-Gebäude, das innenarchitektonisch generell für Konferenzen wie geschaffen ist, wurde von einer Münchner Investorin gekauft. Diese scheint den wahren Wert als einzigartiges Konferenzgebäude im Herzen Münchens vermutlich nicht erkennen zu wollen. Denn sonst gäbe es weiterhin den Luxus an erstklassiger Information anstatt Luxus-Betten, die kurzzeitig für entsprechend mehr Gewinn sorgen. Die DLD-Karawane zieht weiter.

Apropos: Die nächste DLD-Conference schlägt von 6. bis 7. Mai in NYC ihre digitalen Zelte auf. (Martin W. Drexler, derStandard.at, 28.1.2015)