Die Sonne steht schon hoch am Himmel, als wir das Safarigefährt verlassen, um zu Fuß ins offene Gelände aufzubrechen. Die mystischen Granitformationen werfen lange Schatten, die Stimmung hat etwas Surreales. Es geht durch hohe Gräser, vorbei an dornenartigem Gestrüpp. Möglichst leise sind wir unterwegs, auf der Suche nach den Breitmaulnashörnern von Simbabwe.

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Breitmaulnashörner gehören zu den besonders gefährdeten Spezies.
Foto: APA/dpa/Holger Hollemann

Wildhüter Maurice weiß genau, wo sie zu finden sind, schließlich ist es sein Job, die gefährdeten Tiere rund um die Uhr zu bewachen, ob Regen- oder Trockenzeit, ganz gleich. Er weicht den Nashörnern nicht von der Seite. Und tatsächlich, plötzlich stehen sie zum Greifen nah vor uns. Rund zehn Meter entfernt grast eine Mutter mit ihrem sechs Monate alten Jungen friedlich im Gestrüpp.

Auf Wilderer wird sofort geschossen

Die beiden blicken die neugierigen Besucher gelassen an. Manche der Tiere haben echte Namen, dieses Muttertier wird nur Nummer 69 genannt, erzählt Maurice, auf dessen Schulter locker eine Kalaschnikow baumelt. Schließlich muss er für den Notfall gerüstet sein. "Wenn wir Wilderer sehen, wird nicht lange verhandelt", sagt er. "Wir schießen sofort, das ist gesetzlich vorgeschrieben."

Ein Kilo Rhino-Horn kostet auf dem Schwarzmarkt bis zu 80.000 Euro, in Vietnam und China glaubt man hartnäckig, es bekämpfe Krebs und wirke potenzsteigernd. Der Tierbestand in Simbabwe ist, ähnlich wie in den Nachbarländern, in den letzten zwanzig Jahren um ein Drittel gesunken. Mitunter greifen die Tierschützer zu drastischen Maßnahmen, um die letzten verbleibenden Exemplare vor ihrem sicheren Tod zu bewahren: Den Tieren wird unter Narkose das begehrte Horn abgesägt.

Weit weg von der Politik

Maurice arbeitet im Matobo-Nationalpark, im Südwesten Simbabwes bei Bulawayo gelegen. "Hier bekomme ich wenigsten nichts von der Politik mit", sagt der Wildhüter, der froh ist, überhaupt einen Job gefunden zu haben. Einst galt Simbabwe als die Kornkammer Afrikas und war ein beliebtes Reiseland. Das war, bevor Langzeitdiktator Robert Mugabe das an Bodenschätzen reiche Land mittels fataler "Reformen" an den Rand des Ruins trieb. Heute schätzt man die Arbeitslosigkeit auf 80 Prozent, viele Menschen sind nach Südafrika abgewandert.

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Der Matobo-Nationalpark im Südwesten Simbabwes fasziniert vor allem durch seine "balancierenden Felsen". Die freistehenden Granitbrocken sind Resultate von Erosion in dieser 200 Millionen Jahre alten Hügellandschaft.
Foto: Picturedesk / Gilles Barbier

Erstaunlich, wie unverhohlen die Leute mittlerweile über ihre Situation reden: Jeder scheint darauf zu warten, dass der greise Diktator endlich stirbt. In der Regierung tobt bereits ein offener Machtkampf um seine Nachfolge. Auch Mugabes Frau, verächtlich "Gucci Grace" genannt, bringt sich in Stellung. Trotz Dauerkrise sind die Menschen in Städten wie Bulawayo freundlich und offen, man kommt leicht ins Gespräch: Jeder hofft, dass es nach Mugabes Tod aufwärts geht mit dem unterdrückten Land.

Zu Besuch bei den Feuersteins

Sharon Stead, eine quirlige Simbabwerin, betreibt gemeinsam mit ihrem Mann eine ungewöhnliche Lodge unweit von Bulawayo: Im Camp Amalinda fühlen sich die Gäste wie bei den Feuersteins auf Besuch. Stilsicher wurden jene malerischen Granitfelsen, die diese sanfthügelige Landschaft prägen, in die Unterkünfte integriert. Die Aussicht von der Terrasse ist famos, der Blick schweift über Steine, die wundersam aufeinander balancieren und dabei wie moderne Skulpturen aussehen.

Sharons Ururgroßvater kam 1873 nach Rhodesien, wie Simbabwe damals hieß, um für den Berliner Zoo einen Löwen zu fangen. Doch er blieb in Afrika und frönte seiner Leidenschaft: der Großwildjagd. Wahrscheinlich ist für Sharon deshalb Tierschutz ein zentrales Anliegen. Das Haus ihres Großvaters quoll über von Trophäen. Heute engagiert sie sich für den Bau eines Zauns um den Matobo-Nationalpark. "Es ist eine temporäre Maßnahme", sagt sie. "Wir wollen die Dorfbewohner, die am Bau des Zaunes beteiligt sind, dazu bewegen, den Wilderern nicht zu helfen." In der Tat meldete ein Dorf erst letzten September wieder eine Gruppe, die mit einem Koffer voller Waffen angereist kam.

Reich an Landschaften

So isoliert Simbabwe ist, so sehr es in politischem Chaos versinkt, so faszinierend bleibt es als Reiseland mit seinen höchst unterschiedlichen Landschaften: von den imposanten Victoria-Wasserfällen an der Grenze zu Sambia im Nordosten des Landes bis zu seinen Nationalparks. Der Hwange-Nationalpark, südlich der Victoriafälle gelegen, ist der artenreichste. Zu den Matobo-Bergen fährt man der Landschaft und der Nashörner wegen, der Hwange hingegen wirkt wie ein artenreiches Tier-Bilderbuch. Eine archaisch schöne Landschaft, die derzeit noch alles andere als überlaufen ist.

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Südöstlich der berühmten Victoriafälle liegt Simbabwes artenreicher Hwange-Nationalpark.

Die Lodges Little Makalolo, betrieben vom südafrikanischen Outdoor-Spezialisten Wilderness Safaris, liegt nah an einem künstlichen Wasserloch. Man muss das Camp also gar nicht verlassen, um grandiose Tiererfahrungen zu machen: Eine Elefantenherde mit zahlreichen Jungtieren spaziert imposant vorbei und lässt sich bequem vom Frühstückstisch aus beobachten.

Nachtaktive Feuchtnasenaffen

Schon bei der ersten Safari-Ausfahrt begegnen wir acht Löwen, die gelassen im Gras liegen. Die Jungen umkreisen verspielt die offenen Vehikel. Auf der Heimfahrt, es ist dunkel geworden, richtet der Ranger die Infrarotlampe ins Gelände. Hin und wieder blitzen rote Augen im Dunkeln auf. "Ein Buschbaby!", ruft Ntando aufgeregt. "Das habe ich schon lange nicht mehr gesehen." Der kleine nachtaktive Feuchtnasenaffe klammert sich an einen Ast, mit seinen Glupschaugen und riesigen Ohren wirkt er wie ein Alien.

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Rundum tummeln sich Flusspferde, die ziemlich bedrohlich aussehen.

In den nächsten Jahren wird der Tourismus in dieser Region vermutlich stark wachsen: Der Flughafen Victoria Falls wird gerade vergrößert, er soll in Zukunft als Tor zum gesamten südlichen Afrika dienen. Von hier aus bietet sich eine Erkundung von Botswana, Sambia und Simbabwe an. Wilderness Safaris betreibt klugerweise schon jetzt Öko-Lodges in allen drei Ländern. Die Toka Leya Lodge in Sambia etwa ist nicht nur idealer Ausgangspunkt für Besucher der Wasserfälle, sondern auch ein weiterer Hotspot, um Nashörner zu erleben. Oder man nimmt hier beim Bootsauflug auf dem Sambesi-Fluss einen Sundowner.

Rundum tummeln sich Nilpferde, die ziemlich bedrohlich aussehen. Kein Wunder, dass die Gäste zuerst erschrecken, als beim Anlegen ein dickes, kleines Flusspferd auf sie zuwatschelt. "Das ist Moto Moto, unser Haus-Nilpferd", beruhigt ein Guide. "Er wurde als Baby von seiner Herde verjagt." Aber das ist eine andere Geschichte. (Karin Cerny, Rondo, DER STANDARD, 30.1.2015)

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