Die Grünen thematisieren Radikalisierung im Gefängnis.

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Wien - Terroristen und Syrien-Rückkehrer sind die neue Herausforderung für den Strafvollzug. Noch ist der erste Prozess gegen einen mutmaßlichen Jihadisten nicht abgeschlossen, doch in U-Haft befinden sich mehrere Verdächtige, rund 80 Verfahren sind anhängig. Um eine Radikalisierung in Gefängnissen zu verhindern, bedarf es für die Zukunft professionelle Konzepte, fordern Experten und die Grünen.

Die Zahl der Insassen, die islamistisches Gedankengut vertreten und die als Terror-Sympathisanten einzuschätzen sind, ist im Steigen begriffen, warnte der Grüne Justizsprecher Albert Steinhauser, der die Gefängnisse als Nährboden für mögliche Radikalisierung sieht. Zu viel Zeit, wenige Zukunftsperspektiven und die fehlenden Netzwerke nach außen sind oft die Gründe, dass die Religion zum letzten Halt und Sinngeber werden kann.

Getrennt unterbringen

Die Attentäter von Paris sollen im Gefängnis radikalisiert worden sein. "Es ist davon auszugehen, dass zumindest ein Teil den Kontakt zu Gleichgesinnten sucht oder aber andere Gefangene für seine Ideen gewinnen will", sagt Steinhauser. Deshalb seien vor allem Rückkehrer aus Syrien so unterzubringen, dass sie untereinander möglichst keinen Kontakt haben. Falls versucht werde, andere Insassen zu rekrutieren, soll eine Rotation in andere Anstalten erfolgen, ist Steinhauser überzeugt. Das könnte aufgrund der übervollen österreichischen Gefängnissen ein Problem werden. "Das ist der schwierigste Punkt", gibt der Grüne Justizsprecher zu bedenken.

Zudem wird in Österreich der Strafvollzug als offener Vollzug organisiert, also die Türen der Hafträume sind grundsätzlich tagsüber geöffnet. Für die Sozialisierung Strafgefangener ist das günstig, der ständige Kontakt mit anderen Insassen kann jedoch auch eine mögliche Radikalisierung fördern. "Wenn wir verhindern wollen, dass sich in den Gefängnissen aus den Syrien-Rückkehrern in den nächsten Jahren eine Art Al-Kaida Österreich bildet, müssen wir jetzt handeln", sagt Steinhauser.

In Grazer Einzelzellen

Nach der Razzia gegen Jihadisten im vergangenen Jahr sitzen derzeit etwa fünf Männer in U-Haft in Graz-Jakomini, wie der Leiter der Vollzugsdirektion, Peter Prechtl, sagt. Die Insassen seien in Einzelzellen untergebraucht, die Kontaktmöglichkeiten mit anderen Strafgefangenen sehr eingeschränkt. Wie die Situation allerdings bei einer höheren Anzahl inhaftierten Jihadisten aussehen würde, ist noch unklar.

"Wir brauchen professionelle Programme, um die Deradikalisierung zu fördern", sagt auch der Politikwissenschaftler Thomas Schmidinger, der über den Islam forscht. Wenn man sich um Radikale, die in Gefängnisse sitzen, nicht professionell kümmere, würden sie die Inhaftierung für weitere Propaganda nutzen. Syrien-Rückkehrer sollten jedoch "nicht nur weggesperrt werden", von ihnen gehe nicht immer eine Gefahr aus. "Viele von ihnen sind von den Kämpfen ernüchtert", meinte Schmidinger. "Die Frage ist vielmehr, wie man diese Menschen zur Deradikalisierung und für die Prävention nutzen kann."

Steinhauser fordert spezielle Ausbildung

Seit zwei Jahren läuft über das Justizministerium eine Kooperation mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), bei der die Justizwachebeamte über die aktuellen Entwicklungen zum Thema Jihadismus informiert werden. Justizsprecher Steinhauser fordert sogar eine spezielle Ausbildung und Schulung im Umgang mit Jihadisten, die sich in Haft befinden. Dabei stellt das Sprachproblem die größte Hürde dar. Das Justizministerium will deshalb mehr Justizwachebeamte mit Migrationshintergrund in den Dienst stellen. Auch Seelsorger der islamischen Glaubensgemeinschaft sollen in den Gefängnissen den Radikalisierungstendenzen entgegentreten. Dazu wurde gerade das Budget im Justizministerium von 15.000 auf 20.000 Euro erhöht.

Laut Steinhauser sind mittlerweile 178 Menschen von Österreich aus in den Syrien-Krieg gezogen. Von 69 Personen weiß man, dass sie wieder zurückgekehrt sind. (APA, 29.1.2015)