Die Stimmung in Paris ist nach wie vor gedämpft. Doch so tief der Schreck nach den Terror-Anschlägen auch sitzen mag, das Modekarussell dreht sich weiter und hatte in den vergangenen Tagen die Haute Couture auf dem Programm. Die Modehäuser zeigten weitgehend bodenständige Kollektionen, ohne versteckte Botschaften oder eindeutige Statements. Nur die verstärkten Sicherheitsvorkehrungen, Taschenkontrollen und Polizeiabsperrungen erinnerten an die schrecklichen Geschehnisse der vergangenen Wochen.

"The show must go on" sagte Karl Lagerfeld und ließ zu Beginn der Chanel-Show die Knospen seines weißen Papiergartens wundersam in tropischen Farben erblühen. Dazu passend eröffneten knallige Looks in Orange, Blau, Gelb, Rosa und Grün die Show. Die für Chanel obligatorischen Tweed-Kostüme kamen diesmal als wadenlange Röcke mit bauchfreien Oberteilen, und für diejenigen, die ihren Bauch lieber nicht zeigen mögen, hatte Lagerfeld leichte Plisseeblusen zum Unterziehen parat. Viele Kleider waren reichlich mit Blumen und Pailletten bestickt, als Ausgleich sorgten aber die flachen Stiefeletten und sportlichen Strick-Beanies für die nötige Bodenhaftung.

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Chanel
Foto: AP/Jacques Brinon

Versace bodenständig

Am Boden geblieben war auch die neue Haute-Couture-Kollektion von Donatella Versace, die wie immer in der prächtigen Pariser Industrie- und Handelskammer in der Nähe des Arc de Triumph stattfand. Eine Serie aus unifarbenen, präzise konstruierten Hosenanzügen, die aus einem asymmetrischen Bustier und einer hautengen Schlaghose bestand, eröffnete die Show. Doch so ganz ohne Bling-Bling geht es bei Versace dann doch nicht und so mussten sich Goldie Hawn und Tochter Kate Hudson angesichts eines ganz und gar aus Strass-Steinen gefertigten Kleides in der ersten Reihe kräftig die Augen reiben.

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Donatella Versace
Foto: REUTERS/Gonzalo Fuentes

Schiaparelli returns

Für Überraschung sorgte die Show von Schiaparelli. Ganz ohne Chefdesigner (Marco Zanini hatte das Haus nach nur zwei Saisons wieder verlassen) und in Zusammenarbeit mit dem französischen Fotografen Jean-Paul Goude zeigte das Label eine seiner stärksten Kollektionen seit dem Wiederaufleben und huldigte den surrealistischen Codes des Hauses: Ein smaragdgrünes Trompe-l'oeil-Kleid war am Rücken mit zwei Händen bedruckt, die das Collier auf der Vorderseite von hinten zuzumachen schienen, eine lange Harlekin-Robe in den Taille mit kleinen Spiegeln verziert, ein himmelblaues Kleid über und über mit Herzen aus bunten Plastik-Scheiben bestickt.

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Schiaparelli
Foto: REUTERS/Charles Platiau

Futuristische Retroelemente

Einen Hauch Surrealismus verströmte auch die Kollektion von Raf Simons für Dior, so ungewöhnlich war die bunte Mischung aus futuristischen Elementen und Retro-Silhouetten. Petticoat-Röcke erinnerten an die 1950er-Jahre, A-linienförmige Mini-Kleider und Overknee-Stiefel an die 60s und wilde Farbkombinationen an die 70s. Gleichzeitig wirkten die glänzenden Latex-Materialien, psychedelisch bedruckten Catsuits, silbern gestreiften Overalls und transparenten Mäntel wie eine Reise in die Zukunft. Das Schon-mal-da-gewesene zu etwas völlig Neuem zu machen, ist eine Kunst, die Raf Simons mit dieser Kollektion spielend unter Beweis gestellt hat.

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Das Schon-mal-da-Gewesene zu etwas Neues machen: Darum geht es in der Mode oft. Wenige beherrschen das so gut wie Raf Simons, der bei Dior Futuristisches mit Retro-Elementen mischt.
Foto: REUTERS/Gonzalo Fuentes

Keine Experimente

Der libanesische Designer Elie Saab dagegen ist kein Freund modischer Experimente. Diesmal schwelgte er gänzlich in der Vergangenheit, indem er die Show seiner Heimat Beirut widmete. Die zarten Farben der Kollektion, die Eichen- und Olivenbäume, die den Laufsteg säumten, die sinnlichen Blumendrucke, hohen Taillen und Broderien seien Erinnerungen aus der Kindheit, sagte der Designer. Die Nostalgie muss ihn beflügelt haben. In den romantischen Kleidern aus zarten Federn, sanften Pastelltönen und floralen Mustern wirkten seine Models mehr noch als sonst wie wunderschöne, zerbrechliche Elfen.

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Elie Saab
Foto: APA/EPA/ETIENNE LAURENT

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Foto: APA/EPA/ETIENNE LAURENT

"Comeback" eines Altmeisters

Keinen Anflug von Schwäche zeigte Altmeister Jean Paul Gaultier. Er hatte kürzlich seine Prêt-à-porter-Linie eingestellt und feierte nun mit seiner Couture-Show ein "Comeback", das er unter das Motto "Hochzeit" stellte. Vor den Augen von Carla Bruni, Catherine Deneuve und Conchita Wurst, zeigte er spektakuläre, zweigeteilte Kleider: Auf der rechten Hälfte schwarz und enganliegend, auf der linken weiß und mit Petticoat. Rechts mit Blazer, links ärmellos mit transparentem Handschuh.

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Jean Paul Gaultier
Foto: APA/EPA/Ian Langsdon (l./Mi.), AP/Jacques Brinon

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Foto: APA/EPA/IAN LANGSDON

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Conchita Wurst und Carla Bruni.
Foto: AP/Thibault Camus

Gleichzeitig schien er sich mit den maskulinen Hosenanzügen, Kapitänsmützen und Korsett-Kleidern wieder auf seine Wurzeln berufen zu wollen. Höhepunkt war die Braut am Ende der Show, bei deren Anblick Carla Bruni förmlich die Kinnlade herunterfiel: vor ihr stolzierte Ex-Kollegin Naomi Campbell im knappen Badeanzug mit Blumen und Farn geschmückt vorbei, als sei die Zeit spurlos an ihr vorübergegangen.

Tja, die gute alte Zeit: als Naomi noch Supermodel war, Gaultier ein echtes Enfant terrible und Paris ein sicheres Pflaster. (Estelle Marandon aus Paris, DER STANDARD, 30.1.2015)