Eine Serie in progress: Buchtitel zur linken Theorie hat der aus der Ukraine stammende Ivan Bazak auf Leinwand übertragen.

Foto: Galerie Charim
Foto: Galerie Charim

Ivan Bazaks Ausstellung in der Galerie Charim ist nicht frei von Widersprüchen. Das weiß der 1980 in Kolomyja in der Westukraine geborene Künstler aber auch ganz genau: Auf einem Lesetisch hat der Künstler den gesamten Kanon linker Literatur - von Lenin über Mao bis zu Karl Korsch, Plechanow oder Spartak Beglow - versammelt, der in seiner Schulzeit zumindest teilweise noch Pflichtlektüre war.

In seiner Heimatstadt sei der Umgang mit Lenin-Statuen bis heute noch nicht wirklich gelöst, erzählt der mittlerweile in Berlin lebende Künstler, der in seiner Schau nicht nur ein paar von Lenins Schriften prominent aufgelegt hat; sondern Bazak hat darüber hinaus ein paar Cover von dessen in deutschen Verlagen erschienenen Büchern (u. a. Staat und Revolution oder Was tun?) auf großformatige Leinwände übertragen.

Ausschlaggebend für diese noch nicht abgeschlossene Bildreihe war eine Büchersammlung zu linker Theorie, die ihm der deutsche Dramaturg und Opernintendant Klaus Zehelein geschenkt hat: Arbeiterklasse und kulturelles Lebensniveau oder Über die Volksbildung lauten einige der Titel. Bis heute redet der Adorno-Schüler Zehelein auch einer künstlerischen Praxis das Wort, die aus dem Publikum keine Verbraucher macht. Ivan Bazak begibt sich mit seinen Büchern somit gleichsam auf die Suche nach der Geschichte der Ukraine wie auf jene seiner eigenen Profession: Nach einem Malereistudium an der Nationalen Akademie in Kiew hat er in Düsseldorf Bühnenbild studiert und später bei Zehelein assistiert.

Wo ist zu Hause?

Mit seiner Arbeit bewegte er sich somit schon früh zwischen den Disziplinen, wobei sein eigener Migrationshintergrund auch Thema seiner kollaborativen Projekte (wie des Karpatentheaters) und Ausstellungen war: In der Reihe "Wo ist zu Hause?" (2009) im Museum am Ostwall verbildlichte er in zwei für ihn typischen installativen Settings die Migration in den Westen bzw. Osten.

Von den einstigen Utopien ist da nicht mehr viel übrig, und doch hat sich Bazak noch einmal an einer Art Wiederauflage versucht: "Natürlich sind die Bücher zum Teil nicht mehr aktuell, aber die Art und Weise ihrer Verwendung und ihre Bedeutung für eine politisch motivierte Kulturarbeit interessieren mich." In der Galerie sollen die von Zehelein sichtlich durchgeackerten Bücher zum Schmökern anregen, auch wenn es Bazak gar nicht so sehr um das Theoretische als um die "Möglichkeiten eines politisierten Selbstverständnisses in der Gegenwart und durchaus angreifbare Behauptungen geht".

Allein die Buchtitel liefern diesbezüglich viel Material: Der hilflose Antifaschismus, Zur Pressekonzentration und Meinungsmanipulierung, Die Einübung des Ungehorsams in Deutschland oder Millionäre machen Meinung von Millionen. Letzteren Band hat Bazak genauso für eines der gemalten Bilder gewählt wie ein Buch Stalins oder eine Arbeit des deutschen Faschismus-Forschers Reinhard Kühnl.

In der malerischen Übertragung hat Ivan Bazak sich einer relativ "freien", fast expressiven Pinselführung verpflichtet. Das spricht die Bilder vom Verdacht frei, Hommagen zu sein, und entspricht seinem Bemühen um eine differenzierende Herangehensweise. Es verhindert jedoch auch nicht, dass die Cover etwas sehr Plakatives haben und so ein weiterer Widerspruch nicht wirklich aufgelöst ist. (Christa Benzer, Album, DER STANDARD, 31.1./1.2.2015)