Aufgemascherlt und downgedresst zugleich. Die US-Band Sleater-Kinney kehrt nach zehn Jahren Pause mit ihrem Album "No Cities To Love" triumphal wieder.

Foto: Sub Pop

Wien - Zehn Jahre ist es her, da war die Rede von drei Gören, die erwachsen geworden wären. Da schwang ein "endlich" mit, und im Normalfall hätte so eine Einschätzung zu einer üppigen Ernte vom Watschenbaum geführt, aber hallo. Schließlich galten die drei Frauen der Band Sleater-Kinney als maßgebliche Vertreterinnen der Riot-Grrrl-Bewegung, ein Terminus für rockende und streitbare Feministinnen in der Zeitrechnung nach Punk.

Doch als das Album The Woods 2005 erschien, waren es Sleater-Kinney selbst, die ihren Entwicklungsstand so beschrieben haben. The Woods war ein eher konventionelles Album im Katalog des Trios aus Olympia im US-Bundesstaat Washington; zugleich war es ihr bis dahin bestes. Es klang, um es mit der schweren Zunge der Winzer zu sagen, gereift.

Kurz darauf war jedoch Schluss mit dem Trio. Der Grund war - das weiß man heute - kein Streit, aber doch das allseitige Verlangen nach über zehn Jahren im Geschäft und on the road, andere Facetten des Lebens auszutesten: niedergelassene Partnerschaften, Familien und Karrieren abseits der Musik.

Dieser haben sie dennoch nie ganz entsagt, die Freundschaften hielten sich über verschiedene Lebensentwürfe hinweg hartnäckig, und so kam es, dass Corin Tucker, Carrie Brownstein und Janet Weiss im Vorjahr zusammentrafen und unter Zuhilfenahme von etwas kosmischem Zauberstaub die Wiederkehr ihrer Band verkündeten.

Nun ist ihr neues Album No Cities To Love erschienen. Es ist ihr achtes, und man will das gar kein Comebackalbum nennen, nein. Das klänge zu sehr nach Verzweiflung. Nach einem dieser vielen Versuche vieler Bands, es noch einmal wissen zu wollen, obwohl klar ist, das wird nichts.

Nicht so Sleater-Kinney. Sie kehren mit ihrem besten Album zurück, ja, es beschert der Welt drei erwachsene Gören in Bestform. No Cities To Love schließt auf seine Art an The Woods an. Es balanciert die dringliche Punkattitüde der frühen mit der Autorität der mittleren Jahre.

Das schlägt sich unter anderem im Vortrag von Corin Tucker und Carrie Brownstein nieder. Dieser kippte früher gerne ins Nervöse. Heute brüllen einen die beiden zur Not immer noch an die Wand, doch man hat nicht den Eindruck, dass sich ihr Puls dabei besonders erhöht. Dabei stehen sie inmitten eines von ihnen angerichteten Infernos aus geprügeltem Schlagzeug sowie schneidenden und dröhnenden Gitarren auf Achterbahnfahrt. Bis heute verzichten die drei auf einen Bass, sie stimmen einfach ihre Gitarren runter, das bringt Heaviness.

Unberührbare

Nach heutiger Diktion waren Sleater-Kinney eine Hipster-Band. Sie kamen aus der richtigen Weltgegend, spielten mit angesagten Zeitgenossen, galten als smart und waren zumindest so erfolgreich, um sich eine bis heute treue Fangemeinde aufzubauen. Diese ist 2015 so groß wie nie zuvor, und daran ist nicht die Musik allein verantwortlich. Denn während der Auszeit wurde Carrie Brownstein als Schauspielerin in der in den USA extrem populären Sketch-Comedy Portlandia ein Star, was bezüglich der ihr entgegengebrachten Aufmerksamkeit ein Kollateralsegen für Sleater-Kinney ist.

Doch diese stehen zu Hause ohnehin im Rang der Unberührbaren, irgendwo umarmt von Pavement und Sonic Youth, von Patti Smith und Lydia Lunch. Das sind Bands und Künstlerinnen, zu denen es Berührungspunkte gab und gibt, ohne dass sich das je in einer stilistischen Breitseite niedergeschlagen hätte. Ideologie kann man teilen, Stil gehört einem allein. In der Sache sind Sleater-Kinney so kämpferisch wie immer, formal so überzeugend wie nie zuvor.

Bockig und anschmiegsam

No Cities To Love ist wild, laut, eingängig, abwechslungsreich, dreckig, goschert, schlau und witzig, bockig und anschmiegsam, melodiös und schön. Es lässt einen stolz Punkrock sagen, ohne gleichzeitig an Jahresringe und Nostalgie zu denken. Es zeigt, dass Haltung nicht altert, sie vertieft sich nur. (Karl Fluch, DER STANDARD, 30.1.2015)