Gerassimos Moschonas, Politologe

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Alexis Tsipras' neue Regierung sei eine, "mit der er in die Schlacht ziehen will", sagt der Politologe Gerassimos Moschonas. Ein Beispiel ist der neue Finanzminister Yiannis Varoufakis, ein Ökonom, "immer gern mit hergebrachten Vorstellungen aufräumt".

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STANDARD: Was soll Europa von der Linksregierung in Griechenland halten?

Moschonas: Alexis Tsipras hat eine Regierung gebildet, mit der er in eine Schlacht ziehen will. Es ist eine Regierung, die auf die politischen Gleichgewichte innerhalb der Partei Rücksicht nimmt, aber noch darüber hinausgeht. Denn eines von Syrizas Problemen war immer ihr eher mittelmäßiges Personal. Vergessen wir nicht, dass Syriza vor drei, vier Jahren noch eine Partei mit vier Prozent Stimmanteil war. Jetzt aber sind Leute mit hoher Qualifikation im Kabinett vertreten, die sich durch starke Persönlichkeit, unkonventionelle Ansichten und eine große Entschlossenheit auszeichnen. Der neue Finanzminister Yiannis Varoufakis ist dafür ein Beispiel ...

STANDARD: Er gehört nicht einmal der Partei an ...

Moschonas: Ganz genau. Ein Ökonom, der in der Vergangenheit Kontakt mit Giorgos Papandreou pflegte, sehr dynamisch ist, immer gern mit hergebrachten Vorstellungen aufräumt. Das trifft in ähnlicher Weise auch auf den neuen Außenminister zu, Nikos Koutsias. Er ist jemand, der von der KKE kommt (Kommunistische Partei Griechenlands, Anm.), eine Zeitlang mit Papandreou arbeitete und Leiter von Istame, der Parteistiftung der Pasok, war. Er kennt Europa genau und hat eine dynamischere Herangehensweise, als man sie vielleicht in diplomatischen Kreisen erwartet.

STANDARD: Was hat es nun mit dieser Russland-Sympathie von Syriza auf sich?

Moschonas: Sie müssen das im Zusammenhang mit Einstellungen der griechischen Öffentlichkeit sehen. Hier hält sich ein gewisses Misstrauen gegenüber den westlichen Mächten. Das erklärt sich aus der Zeit des griechischen Bürgerkriegs nach dem Zweiten Weltkrieg mit der Intervention Großbritanniens, dem Militärregime (1967–1974, Anm.), das in den Augen der Griechen in der einen oder anderen Weise von den USA unterstützt wurde. Schließlich dem Zypern-Problem, wo neben Griechenland noch Großbritannien und die Türkei involviert sind, also zwei unserer Verbündeten in der Nato. Daraus ergibt sich für Griechenland eine merkwürdige Position in manchen internationalen Problemen. Griechenland erbt Probleme, die mit Nato-Partnern verbunden sind. Das schafft das Misstrauen in der griechischen Gesellschaft gegenüber den Handlungen der Nato.

STANDARD: Deshalb mehr Vertrauen in Moskau?

Moschonas: Syriza ist entschlossen, Verhandlungen mit der EU zu führen - ernsthafte Verhandlungen. Meiner Ansicht nach schickt sie mit dieser Diskussion über die Russland-Sanktionen und die Ukraine ein Signal aus, das bedeuten soll: Griechenland hat auch andere Optionen. Das ist meine Vermutung. Diese Regierung und insbesondere Tsipras wollen einen ehrlichen Kompromiss mit Europa. Wenn sich ein solcher Kompromiss aber als unmöglich erweist, dann, so glaube ich, sind sie bereit zu einer Machtprobe.

STANDARD: Zyperns kommunistischer Präsident Christofias hat zu Beginn der Finanzkrise auf der Insel ein Darlehen von der russischen Regierung erbeten und auch bekommen. Wäre das eine Option für Syriza?

Moschonas: Kann ich mir nicht vorstellen. Das ist nicht in der Logik von Yiannis Dragasakis, dem finanzpolitischen Kopf von Syriza und jetzigen Vizepremier, und auch nicht von Finanzminister Varoufakis. Ein russischer Kredit war eine Lösung, die für Zypern passte. Sie ist nicht sinnvoll für Griechenland mit seinem enormen Schuldenberg. Diese Regierung verfolgt eine europäische Strategie zum Schuldenabbau. Allerdings nicht um jeden Preis (Markus Bernath, DER STANDARD, 30.1.2015)