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Forscher haben anhand der Kortisol-Konzentration im Haar die psychosoziale Belastung von schwangeren Frauen "gemessen".

Foto: Axel Heimken/dpa/apa

Zu viel Stress schadet der Gesundheit. Vor allem wenn er über längere Zeit anhält, ist er gerade für Schwangere und ihre ungeborenen Kinder ein gesundheitlicher Risikofaktor. Wissenschaftler der Universität Ulm haben nun anhand der Kortisol-Konzentration im Haar die psychosoziale Belastung von schwangeren Frauen "gemessen".

Risikofaktor Stress

Zu viel Stress schadet der Gesundheit. Vor allem wenn er über längere Zeit anhält, ist er gerade für Schwangere und ihre ungeborenen Kinder ein gesundheitlicher Risikofaktor. Wie hoch die chronische Stressbelastung ist, kann seit kurzem objektiv gemessen werden: mit der Kortisolbestimmung im Haar.

Dieses Hormon wird bei Stress vermehrt ausgeschüttet und im Haarschaft eingelagert. Über die Konzentration des dort abgelagerten Kortisols kann die Stressbelastung rückwirkend sogar über mehrere Monate zuverlässig ermittelt werden. Wissenschaftler der Universität Ulm haben sich diese neue Möglichkeit zur Bestimmung des Haarkortisols nun zunutze gemacht, um die psychosoziale Belastung von schwangeren Frauen zu erfassen.

Haarsträhnen analysiert

Im Rahmen der Ulmer "SPATZ Gesundheitsstudie", die in Zusammenarbeit mit der Ulmer Universitätsfrauenklinik an Neugeborenen und ihren Familien durchgeführt wird, wurden Müttern nach der Entbindung zwei dünne Haarsträhnen entnommen. "Die körpernahen, drei Zentimeter langen Haarproben enthalten Informationen über die Kortisolausschüttung der letzten drei Monate. Denn die Haare wachsen pro Monat circa einen Zentimeter", sagt Studienkoordinator Dietrich Rothenbacher.

"Da derzeit jedoch standardisierte Vergleichswerte fehlen, eignet sich diese Methode insbesondere für den Vergleich innerhalb eines Kollektivs. Für die individuelle Diagnostik ist sie bisher noch nicht geeignet", so der Mediziner.

Die Laborergebnisse wurden schließlich mit weiteren Angaben der untersuchten 768 Frauen zu ihrer familiären und persönlichen Situation sowie zur gesundheitlichen Verfassung in Verbindung gebracht. "Erste Resultate zeigen, dass Frauen, die mit ihrem Kind alleine leben, eine signifikant geringere Kortisolkonzentration im Haar hatten als andere Mütter", so die Doktorandin und Erstautorin der Studie Stefanie Braig.

Auf den ersten Blick erscheint dieses Ergebnis paradox. Mittlerweise weiß man aber, dass eine lang andauernde Stressexposition zur Erschöpfung des Stresssystems führt, sodass die Kortisolproduktion stark abfällt. Dies könnte wiederum die vergleichsweise niedrigen Stresshormon-Werte bei den allein lebenden Schwangeren ohne festen Lebenspartner erklären.

Viele Einflussfaktoren

Weitere Ergebnisse zeigten, dass die Kortisolkonzentrationen bei rauchenden, übergewichtigen oder adipösen Frauen im Vergleich zur Vergleichspopulation erhöht waren. Erstaunlicherweise haben aber auch die Jahreszeit und die Art der Geburt Einfluss auf den Stresshormonlevel.

So lagen die Kortisolwerte bei Schwangeren, die im Winter gebären, deutlich unter denen von Müttern, die ihr Kind im Herbst oder Sommer auf die Welt bringen, und nach Kaiserschnitt waren die Werte niedriger als nach Spontangeburten. "Einige der Einflussfaktoren, die wir in unserer Studie gefunden haben, sind in der Literatur bereits belegt. Doch unsere Untersuchung konnte darüber hinaus wichtige neue Erkenntnisse über Stresshormone in der Schwangerschaft liefern", sagt Rothenbacher.

Nun sollen weitere Untersuchungen folgen. Dabei geht es beispielsweise um die Frage, inwiefern mütterlicher Stress die Entstehung von Neurodermitis, Asthma oder Übergewicht bei Kindern begünstigt. (red, derStandard.at, 30.1.2015)