Gabriel Zucman will neue Steuergesetze und ein weltweites Vermögensregister.

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Wien - Eigentlich wollte Gabriel Zucman nur verstehen: die Ursachen der Finanzkrise, die Notenbankpolitik und wie das alles zusammenhängt. Herausgekommen ist ein Buch über Steueroasen, in dem der französische Ökonom die steigende Ungleichheit anprangert und vorrechnet, was das in den Steuerparadiesen versteckte Geld für Kosten verursacht.

Acht Prozent des weltweiten Finanzvermögens sind derzeit in Steueroasen versteckt. Damit entgehen den Staaten rund 200 Milliarden Dollar (176 Mrd. Euro) an Einnahmen auf Kapitalerträge sowie Erbschaftssteuern, schätzt der Ökonom, der am Freitag auf Einladung der Arbeiterkammer in Wien war. In Summe steige damit auch die Ungleichheit.

Einen Einblick in die ungleiche Vermögensverteilung zu bekommen sei aber nicht einfach. Es gebe Hinweise dafür, dass die Ungleichheit in Europa zunehme, wenn auch noch nicht so stark wie in den USA. Nicht jedes Land verfüge über Daten, die zeigen, wie viel ausländisches Geld auf heimischen Banken liege und wie viel die Bürger im steuerschonenden Ausland veranlagt haben. Zucman fordert daher die Einrichtung eines weltweiten Registers für Finanzvermögen. "Wir brauchen viel mehr Transparenz darüber, wer Vermögen besitzt." Machbar sei das laut Zucman in jedem Fall. Denn in jedem Land gebe es eine Finanzinstitution, die darüber Buch führt, wem welche elektronischen Wertpapiere gehörten. Beginnen könnte man auf regionaler Ebene. Auch könnte man so ein Register in die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit den USA aufnehmen.

Zucman hat wegen fehlender Daten selbst Berechnungen angestellt. Demnach würden rund zehn Prozent des europäischen Finanzvermögens auf ausländischen Konten gehalten, das seien 2600 Mrd. Dollar. Den europäischen Steuerbehörden entgingen dadurch 75 Mrd. Dollar an Einnahmen. Die Amerikaner parkten vier Prozent ihres Vermögens im Ausland (1200 Mrd. Dollar) und hinterzögen jedes Jahr 36 Mrd. Dollar an Steuern. Der Ökonom spricht sich daher dafür aus, die Steuergesetze zu ändern. Denn es seien letztlich die Gesetze, die zur Steuerflucht oder Steuervermeidung einladen.

In den genannten Beträgen nicht enthalten seien 120 Mrd. Dollar an Gewinnsteuern, die sich US-Unternehmen sparen, indem sie ihre Gewinne in Länder mit niedri- gen Unternehmenssteuern verlagern. Dieses Geld entgehe zum Teil den USA, aber auch anderen Ländern.

Dass die EU-Kommission und auch die US-Behörden nun gegen diese Steuervermeidungspraxis vorgehen, ist für Zucman "ein Schritt in die richtige Richtung". Es sei aber zu wenig, nur zwei Unternehmen anzuprangern, vielmehr müsste auch das Gewinnversteuerungssystem verändert werden, denn die aktuelle Besteuerung sei nicht mehr angemessen in der globalisierten Welt. Unternehmen könnten ihre Gewinne verstecken, ihre Kunden aber nicht. Daher sollten Gewinne auch dort versteuert werden müssen, wo sie entstehen. Erwirtschafte Apple etwa fünf Prozent seines Gewinns in Österreich, sollten diese fünf Prozent auch hier besteuert werden.

Österreich sei laut Zucman keine bedeutende Steueroase. Laut Nationalbank hätten Ausländer rund 30 Mrd. Euro auf österreichischen Bankkonten. "Das ist ein Zehntel des Offshore-Vermögens, das in Luxemburg liegt, und viel, viel weniger als in der Schweiz, wo es 2,5 Billionen Dollar sind." Die Einführung einer Vermögenssteuer in Österreich hält Zucman für eine gute Idee. (bfp, DER STANDARD, 31.1.2015)