Wien - Trotz bitterer Kälte kamen am Freitagabend laut Veranstalter an die 9.000 Menschen in die Wiener Innenstadt, um gegen den von der Wiener FPÖ veranstalteten Akademikerball in der Hofburg zu protestieren. Die Polizei - sie gibt die Zahl der Besucher mit mehr als 5.000 an - war mit rund 2.500 Beamten im Einsatz, beim Ball der Burschenschafter wurden rund 1.500 Besucher erwartet. 54 Festnahmen meldete die Polizei. Es kam zu rund 150 Anzeigen. Sechs Polizisten und vier Demonstranten wurden verletzt. Es habe sich dabei laut Polizei durchwegs um leichte Verletzungen gehandelt, am Samstag war niemand mehr in Spitalsbehandlung.

derstandard.at/von usslar & kopacka

Die Kundgebung verlief vorerst ohne gröbere Zwischenfälle. Bis etwa 18 Uhr gab es laut Polizei weit über 100 Identitätsfeststellungen. Sechs vorübergehende Festnahmen waren bereits am Nachmittag bei der Kontrolle eines Reisebusses aus Tschechien erfolgt, die Betroffenen hatten gefährliche Gegenstände wie Messer und Leuchtraketen bei sich. Ein Bus aus München sei an der Stadtgrenze zurückgeschickt worden, twitterte die Polizei. Eine weitere Festnahme erfolgte am frühen Abend, wobei bei der der rechten Szene zuzuordnenden Person ebenfalls eine "verbotene Waffe" gefunden worden sei.

Hinter der Bühne des Bündnisses "Jetzt Zeichen Setzen", das für 18.30 Uhr auf dem Heldenplatz ein Konzert sowie eine Kundgebung gegen den Ball angemeldet hatte, kam es zwischenzeitlich innerhalb des Platzverbotes zu einer Kundgebung gegen die Demonstranten. Rund 20 Personen hielten zwei Transparente mit den Aufschriften "FPÖ Wien", "Meinungsfreiheit ist unantastbar und unteilbar!" sowie "Kein Gesinnungsterror" in die Höhe. Noch vor Beginn des Konzerts auf dem Heldenplatz schritt die Polizei aber ein und löste diese unangemeldete FPÖ-Kundgebung auf.

Böller und Taxis

Im Verlauf des Abends kam es zu Ausschreitungen. Im Bereich des Volksgartens wurde ein Polizist offenbar durch einen explodierenden Böller verletzt, wie die Polizei bestätigte. Drei andere Beamte erlitten Schnitte und Prellungen, teilte ein Polizeisprecher mit. Es kam zu Blockadeaktionen und mehreren Festnahmen. Im Bereich des Volkstheaters wurden mehrere Taxis von Demonstranten am Weiterfahren Richtung Hofburg gehindert, Polizisten mit Böllern beworfen.

Demonstranten am Wiener Stephansplatz.
Foto: Fischer

Laut Polizei versuchten Demonstranten an mehreren Stellen, kleinere Barrikaden zu errichten. Am Schwarzenbergplatz sowie am Karlsplatz wurden - von teils vermummten Demonstranten errichtete - Blockaden geräumt, dabei kam es zu mehreren Festnahmen. Auch dürften die Demonstranten Reifen von Autos aufgeschlitzt haben, wie es seitens der Polizei hieß. Auch Sachbeschädigungen wurden gemeldet, so wurden etwa Mistkübel aus ihren Verankerungen gerissen. Die Sicherheitsbehörden ordneten ein Vermummungsverbot an. Die Höhe der Sachschäden in der Wiener Innenstadt stand am Samstag noch nicht fest, nach Angaben eines Polizeisprechers hält sie sich allerdings in Grenzen. Im Gegensatz zum Vorjahr dürften diesmal keine Fensterscheiben zu Bruch gegangen sein.

Ohne Zwischenfälle lief unterdessen die Kundgebung der Plattform "Jetzt Zeichen Setzen" auf dem Heldenplatz ab, wie Sprecher Niki Kunrath bestätigte. Rund 2.000 Besucher nahmen am Konzert, bei dem u. a. Harri Stojka auftrat, sowie an anschließenden Reden der Holocaust-Überlebenden Dora Schimanko und dem ehemaligen KZ-Häftling Rudi Gelbard teil.

Auf dem Heldenplatz nahe der Hofburg hielt der Holocaust-Überlebende Rudi Gelbard eine berührende Rede.
Foto: fischer

Nach der Beendigung der Heldenplatz-Kundgebung zogen manche Demonstranten zu mehreren angemeldeten "Blockadepunkten" in der Innenstadt weiter. Teilweise wurden Taxis mit Ballgästen aufgehalten.

Für FP-Chef Heinz-Christian Strache steht der von seiner Partei veranstaltete Akademikerball in der Wiener Hofburg "für Meinungsfreiheit". Der Ball sei ein "absolut traditioneller und legitimer Ball".

Laut dem Wiener SPÖ-Landesparteisekretär Georg Niedermühlbichler habe die Polizei ermöglicht, dass "tausende Wienerinnen und Wiener ein friedliches Zeichen gegen Fremdenhass und Rechtsextremismus setzen konnten".

ÖVP-Generalsekretär Gernot Blümel hat es am Samstag als bedenklich bezeichnet, dass neben den überwiegend friedlichen Kundgebungen manche auch nicht vor Gewalt zurückgeschreckt sind.

Die Grünen und Alternativen Studenten (GRAS) beklagten ein "ausgesprochen aggressives" Agieren der Polizei, obwohl die Proteste ruhig verlaufen seien. (krud, simo, red, DER STANDARD, 31.1.2015)