Dominique Strauss-Kahn hatte 2011 in New York zwar mehrere Gerichtstermine, einem Prozess entging er aber.

Sex, Macht und Geld: Das waren die Ingredienzien der sogenannten Sofitel-Affäre, benannt nach dem New Yorker Hotel, in dem der damalige Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF) im Mai 2011 eine bis heute ungeklärte Affäre mit der Zimmerfrau Nafissatou Diallo gehabt hat. Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren wegen Vergewaltigung ein; die Hotelangestellte schweigt, seitdem sie von Dominique Strauss-Kahn dem Vernehmen nach mehrere Millionen Dollar erhalten hat.

Nun wird der einstmalige Präsidentschaftsfavorit der französischen Sozialisten von einer weiter zurückliegenden Affäre eingeholt. Und auch dabei geht es um Sex, Macht und Geld. Zwölf Angeklagte sowie Strauss-Kahn sitzen ab Montag im nordfranzösischen Lille wegen "erschwerter Zuhälterei" auf der Anklagebank.

Die Unternehmer, Hotelmanager und Polizisten sollen den sexhungrigen Politiker mit Prostituierten versorgt haben. Schauplatz der Orgien war in Lille das Hotel Carlton, das der Affäre den Namen gab, daneben aber selbst der IWF in Washington. Zwei Escort-Girls namens Jade und Mounia sagten aus, sie seien über den Atlantik gejettet, um Dominique Strauss-Kahn - den sie je nachdem als "brutal" oder "aufmerksam" schildern - zu Diensten zu sein. Die Justiz verfügt auch über eine SMS, in dem Strauss-Kahn einen Mitangeklagten fragt: "Willst du mit mir (und mit Material) nach Madrid kommen, um eine herrlich kokette Bar kennenzulernen?"

"Freizügige Abende"

Strauss-Kahns Anwälte sprechen von "freizügigen Abenden", bestreiten aber jede finanzielle Entschädigung - eine Voraussetzung für den Tatbestand der Zuhälterei. Letzterer ist nach französischem Recht aber auch gegeben, wenn man Prostituierten eine Wohnung zur Verfügung stellt, wie das Strauss-Kahn in Paris nachweislich tat. Letztlich geht es um die Frage, ob Strauss-Kahn wusste oder wissen musste, dass die Callgirls käuflich waren.

Mit Blick auf den Umstand, dass auf Sexpartys naturgemäß die Hüllen fallen, fragte ein Verteidiger im Vorfeld rhetorisch: "Wie wollen Sie eine nackte Prostituierte von einer nackten Dame von Welt unterscheiden?"

Bis zu zehn Jahre Haft

Der Anklageschrift zufolge wusste Strauss-Kahn nicht nur von diesen Abenden, sondern war sogar der Urheber dieser Soireen. Das Strafmaß dafür sieht bis zu zehn Jahre Haft vor. Laut Yves Cardenal, Vizepräsident der "Vereinigung zum Kampf gegen die Prostitution", riskiert Strauss-Kahn eine unbedingte Gefängnisstrafe.

Das wäre zweifellos das Ende von Strauss-Kahns politischer Karriere. Möglich ist aber auch ein vollständiger Freispruch. Einer Umfrage von Sonntag zufolge wünschen sich immerhin 44 Prozent der Franzosen ein Comeback des einstigen Politstars, der 2011 als absoluter Favorit für den Élysée-Palast gegolten hat. 56 Prozent sind dagegen, da sie Strauss-Kahn die charakterlichen Fähigkeiten absprechen.

Hätte es "besser gemacht"

Nicht weniger als 79 Prozent der Befragten glauben allerdings, dass es der heutige Finanzberater Serbiens und Südsudans als Staatschef im Élysée "besser gemacht" hätte als Präsident François Hollande, der nach der Sofitel-Affäre seines Parteifreundes eingesprungen ist.

Auch wenn die öffentliche Meinung in Frankreich wankelmütig ist, kann sich der 64-jährige, von seiner Ehefrau Anne Sinclair geschiedene Wirtschaftspolitiker kaum mehr Chancen auf eine kommende Präsidentschaftswahl ausrechnen. Präsident Hollande wird das Feld nicht kampflos räumen - und wenn, dann stünde der ehrgeizige Premier Manuel Valls bereit. Außerdem hat sich Strauss-Kahns Geschäftspartner Thierry Leyne im vergangenen Herbst das Leben genommen, nachdem sich der gemeinsame Investmentfonds LSK verspekuliert hatte. Das wenig transparente Finanzgebaren warf bisher kaum Wellen, käme aber in einem Wahlkampf bestimmt zur Sprache. (Stefan Brändle aus Paris, DER STANDARD, 2.2.2015)