Wien - Nach dem Sprung auf den Hinterkopf war der am Boden kauernde Marinus Schöberl noch nicht gleich tot. Erst nach einigen Schlägen mit einem Stein hörte das Röcheln auf. Die jugendlichen Täter, Marcel Schönfeld, sein Bruder Marco und der befreundete Sebastian Fink, verscharrten ihr 16-jähriges Opfer daraufhin in einer Jauchegrube. Erst ein halbes Jahr später wurden Marinus' sterbliche Überreste gefunden, seine rechtsextremen Kreisen zugeordneten Mörder zu Haftstrafen verurteilt.

Andres Veiel und Gesine Schmidt erarbeiteten zu dem Verbrechen, das sich 2002 im uckermärkischen Potzlow ereignete, ein auf 1500 Seiten Gesprächsprotokollen beruhendes Theaterstück, Der Kick, das 2006 auch mit nur zwei Darstellern verfilmt wurde. Im Burgtheater-Vestibül wird es nun von Teilnehmern der Jungen Burg unter der Regie von Peter Raffalt aufgeführt.

Scham, Wut, Trauer

Sieben junge Darsteller erzählen in 16 verschiedenen Rollen - als Eltern, Freunde, Dorfbewohner - vom Leben vor und nach dem Mord. Dazwischen berichtet Marcel Schönfeld im Verhör den Tathergang. Es gibt Erklärungsversuche und Schuldzuweisungen, Versuche der Täter-Opfer-Umkehr, Scham, Wut und Trauer. Mit einem Verweis auf den zeitgleich zur Premiere am Freitag stattfindenden Akademikerball betont die Inszenierung noch einmal zusätzlich die neonazistische Gesinnung der Täter - die Wurzeln der Gewalt reichen jedoch noch tiefer. Die Untat muss letztlich unbegreiflich bleiben.

Die Fassungslosigkeit, die ein solches Verbrechen auslöst, und die Vielfalt der Stimmen, die der Text zu Wort kommen lässt, machen das Stück trotz seines eher statischen Charakters, der kaum Interaktion zwischen den Sprechern vorsieht, ungemein packend.

Große Emotionen

Auf der mit einer Schiebewand, Gaze und Videoprojektionen intelligent genutzten Bühne (Dominique Wiesbauer) zeigen Marlene Del Bello, Lara Feith, Magdalena Lermer, Josef Rabitsch, Frederik Rauscher, Aaron Röll und Moritz Winklmayr teils große Emotionen und beweisen zugleich ihre Wandlungsfähigkeit.

Für einen Rollenwechsel müssen schon ein paar hochgezogene Schultern und eine Mütze (Kostüm: Elke Gattinger) reichen. Vom unauffälligen Bürger zum Gewaltverbrecher ist es schließlich oftmals auch nur ein sehr kleiner Schritt. (Dorian Waller, DER STANDARD, 2.2.2015)