Vereinbarkeit ist nicht nur Beruf und Kinder, es geht auch um Beruf und Pflege - ein großes Thema in einer alternden Gesellschaft.

Foto: heribert Corn

"Das Thema Pflegerisiko blenden wir alle aus. Dabei kann es jeden jederzeit betreffen", betont Birgit Meinhard-Schiebel. Die Präsidentin der Interessengemeinschaft pflegender Angehöriger machte bei einer Veranstaltung des abz*austria in der Bundesimmobiliengesellschaft deutlich, dass Verdrängen nicht der richtige Ansatz sei. Denn die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: "Über 450.000 Menschen in Österreich beziehen Pflegegeld, 80 Prozent davon werden zu Hause gepflegt", so Meinhard-Schiebel.

"Zwei Drittel dieser Pflegeaufgaben zu Hause übernehmen Frauen", ergänzte Manuela Vollmann, Geschäftsführerin des abz*austria. Familienfreundlichkeit werde in Unternehmen noch oft mit "Kinderbetreuungsmöglichkeiten" gleichgesetzt, die Pflege Angehöriger wie des Partners oder der Eltern sei aber oft ein "Tabuthema".

Infos für Betroffene

Und genau an diesem Punkt setzte das abz*austria mit seinem Service an: Mit dem neuen Zusatzmodul "Pflegekarenz und Pflegeteilzeit" biete es eine "Roadmap zum Karenzmanagement" an, die alle Informationen für Betroffene und Unternehmen an einem Ort bündle. Das webbasierte Service bietet To-do-Listen, erklärt die rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen und umfasst Linksammlungen, die laufend aktualisiert werden.

Wie hilfreich das sein kann, erläutert Alexander Mäder von der Bundesimmobiliengesellschaft anhand eines Fallbeispiels aus seinem Unternehmen: Ein Objekttechniker habe für die Pflege seiner Gattin seine Normalarbeitszeit auf 17 Stunden wöchentlich herabgesetzt und sei für drei Monate in Pflegeteilzeit gegangen. "Flexible Arbeitszeit ist ein erster Schritt, reicht aber oft nicht", erklärt Mäder. Die Herausforderung sei es, sehr schnell reagieren zu müssen, die rechtlichen Rahmenbedingungen seien nicht immer leicht überblickbar. Aber: "Sie gewinnen als Unternehmen viel, wenn Sie Mitarbeiter in einer Notsituation gut behandeln", ist er überzeugt.

Mitarbeiter binden

Diesen Aspekt betont auch Manuela Vollmann: "Wir müssen die Vereinbarkeitsfrage von Beruf und Familie auf Beruf und Pflege erweitern. Deswegen sprechen wir von Auszeitmanagement."

Ihr Ansatz: Informationen einholen, schon bevor der Pflegefall eintritt. Mit einem Passwort, das für alle in einem Unternehmen gleich ist, könnten sich die Mitarbeiterinnen anonym in die Roadmap einloggen. Die Einrichtung der Roadmap des abz*austria, die Module für Elternkarenz mit besonderer Berücksichtigung der Väterkarenz sowie für Pflegekarenz beinhaltet, verursacht für Unternehmen Einmalkosten von rund 5000 Euro, plus Wartungskosten von 500 bis 700 Euro monatlich je nach Betriebsgröße und Standort. Unternehmenseigene Formulare und Tools können hochgeladen und verlinkt werden.

Gestaltungsspielräume

Wie viel in Teilzeit sogar bei Schichtarbeit geht, erläuterte im Anschluss Johannes Gärtner, der Geschäftsführer von Ximes, der sich seit Jahrzehnten mit flexiblen Arbeitszeitmodellen beschäftigt: "Wir müssen von den Stereotypen in unseren Köpfen wegkommen", sagt er. "Industrie, das ist Fließbandarbeit, und Teilzeit ist prekär", bringt er zwei Beispiele. "Das stimmt oft, aber nicht immer." Ist-Analysen ließen oft Gestaltungsspielräume erkennen, die man nie vermutet hätte. Das heißt, in der realen Arbeitspraxis könnten Schwankungen bei den Anwesenheiten besser ausgeglichen werden als angenommen: Sei es bei BMW Steyr in Schichtarbeit oder in der Unfallchirurgie.

Seine Schlussfolgerung in Sachen Teilzeit: Organisationen sind flexibler, als wir denken, vor allem, wenn sie wollen - und gut vorbereitet sind. (DER STANDARD, 7./8.2.2015)