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Ein italienischer Carabiniere steht Wache vor einem Gebäude im "Ghetto", dem traditionellen jüdischen Stadtviertel Roms. Nach den Terroranschlägen von Paris wurden in ganz Europa die Sicherheitsvorkehrungen für jüdische Einrichtungen erhöht - nicht genug, meint Malcolm Hoenlein, Vertreter der wichtigsten jüdischen US-Organisationen.

Foto: EPA/ANGELO CARCONI

Malcolm Hoenlein mit großer Delegation auf Wien-Besuch.

Wien - Sein Titel "Executive Vice Chairman of the Conference of Presidents of Major American Jewish Organizations" verrät seine Bedeutung nicht. Malcolm Hoenlein ist als Chef der wichtigsten jüdischen Dachorganisation eine zentrale Figur in Belangen wie der Unterstützung Israels, der Eindämmung des Iran und dem Kampf gegen Antisemitismus. Das letzte Thema hat Hoenlein mit einer 50-köpfigen Delegation aus den USA nach Wien gebracht, wo sie mit Regierung, Israelitischer Kultusgemeinde und anderen Vertretern der Zivilgesellschaft über die Gefahren für Europas Juden sprechen.

"Antisemitische Übergriffe nehmen zu"

Diese sind beträchtlich, und nicht erst seit den Terroranschlägen in Paris, sagt Hoenlein im Standard-Gespräch. "Da ist die demografische Realität mit immer mehr Muslimen, die Radikalisierung der Jugend und eine ständige Verschlechterung der Sicherheitslage. Die Zahl der antisemitischen Übergriffe nimmt zu, es gibt immer mehr Stadtviertel, in die sich die Polizei nicht hineintraut. Juden können nur unter Rechtsstaatlichkeit leben, und die ist in Bedrängnis." Die westeuropäischen Regierungen würden das Problem zwar ernst nehmen, "aber vielleicht ist es schon zu spät". Jedenfalls müsse überall mehr zum Schutz jüdischer Einrichtungen getan werden.

Anders als führende israelische Politiker rät Hoenlein, dessen Eltern beide vor der NS-Verfolgung aus Deutschland geflohen sind, Juden derzeit nicht zur Auswanderung. "Aber sie sollen darauf vorbereitet sein, Europa zu verlassen. Das ist die Lehre, die wir aus der Vergangenheit ziehen müssen." Die Auswanderung sei bereits im Gange, vor allem aus Frankreich, und würde in den kommenden Jahren sicher zunehmen.

Auch in Wien, so habe man ihm gesagt, sei es riskant, mit einer jüdischen Kopfbedeckung auf der Straße zu gehen, erzählt Hoenlein, räumt aber ein, dass die Lage in Österreich besser sei als anderswo. Die heutige Politik versuche zwar, die frühen Versäumnisse bei der Aufarbeitung der eigenen Verantwortung für die NS-Verbrechen gutzumachen, "aber man ist noch nicht dort, wo man sein sollte."

Mit kritischen Stellungnahmen zur israelischen Siedlungspolitik aus Europa hat Hoenlein kein Problem, sehr wohl aber mit dem "Doppelstandard, dem Israel unterzogen wird. Israelkritik verwandelt sich dann allmählich in Antisemitismus."

"Iran ist eine Gefahr"

Vor allem fordert er eine geschlossene Front des Westens gegen den Iran und warnt vor einem Abkommen, das dem Land sein Potenzial zum Bau von Atombomben lässt. "Wir verhandeln seit 20 Jahren mit dem Iran, und sie waren nie ehrlich dabei. Der Iran ist eine existenzielle Gefahr nicht nur für Israel. Fragen Sie in irgendeinem arabischen Land, wer der wahre Feind ist, und sie bekommen zur Antwort: der Iran. Er strebt nach regionaler Vormacht."

Ein Regimewechsel im Iran würde fast alle Probleme im Nahen Osten lösen, glaubt Hoenlein. "Hamas wäre nicht mehr Hamas, Hisbollah nicht Hisbollah ohne den Iran." Nur Sanktionen hätten geholfen, dessen Expansionsdrang einzudämmen. Hoenlein sieht auch wenig Nutzen in einer Partnerschaft mit Teheran im Kampf gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS). "Das schafft nur neue Probleme." Zwischen den Hinrichtungen durch die IS und den iranischen Behörden gebe es keinen echten Unterschied.

Die derzeit schlechte Stimmung zwischen der Obama-Regierung und dem israelischen Premier Benjamin Netanjahu sei kein Zeichen für eine tiefere Entfremdung zwischen den Verbündeten. "Die Medien machen zu viel aus solchen Spannungen, die eigentlichen Beziehungen sind sehr eng." (Eric Frey, DER STANDARD, 10.2.2014)